Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts für Anspruch eines Eigentümers gegen die Gemeinschaft, ihm an einem Raum (hier: Speicher) Sondereigentum einzuräumen
Geschäftswert bei Streit über die Zulässigkeit des Rechtswegs im Rechtsmittelverfahren: 1/5 bis 1/3 des Hauptsachewerts
Normenkette
§ 17a GVG, § 43 Abs. 1, Nr. 1 WEG, § 48 Abs. 3 WEG
Kommentar
1. In einem Zivilprozess hatten Antragsteller Räumung und Herausgabe eines von einem anderen Miteigentümer genutzten und ausgebauten Speicherraums gefordert. Der Bundesgerichtshof hatte seinerzeit das Begehren mit Urteil vom 30. 6. 1995 (BGHZ 130, 159) abgewiesen mit der tragenden Begründung, dass wegen eines nicht ausräumbaren Widerspruchs zwischen Teilungserklärung und Aufteilungsplan an den benannten Räumen kein Sondereigentum entstanden sei bzw. die isolierten Miteigentumsanteile nicht mit Sondereigentum verbunden worden seien. Somit sei an dem herausverlangten Speicherraum mangels sachenrechtlicher Bestimmtheit Sondereigentum nicht entstanden, die Grundbucheintragung in diesem Punkt inhaltlich unzulässig und ohne materielle Wirkung; die Eintragung könne auch nicht Grundlage für einen gutgläubigen Erwerb sein. An den Räumen sei vielmehr gemeinschaftliches Eigentum entstanden, so dass die Klägerseite allenfalls gegen die Gemeinschaft einen Anspruch auf nachträgliche Einräumung von Sondereigentum stellen könnte. Um diesen Anspruch ging es nun im vorliegenden Verfahren, zunächst aber musste die entsprechende Gerichtszuständigkeit geklärt werden.
2.Ob eine Streitigkeit vor die Wohnungseigentumsgerichte als Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder vor die Gerichte der streitigen Gerichtsbarkeit gehört, ist nach h.M. wie eine Frage des Rechtswegs zu behandeln. Deshalb sind auch insoweit die Bestimmungen des § 17a GVG entsprechend anzuwenden. Nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 43 Abs. 1 WEG, § 27 FGG findet gegen den Beschluss, durch den das Landgericht als Beschwerdegericht im Wohnungseigentumsverfahren die Verweisung an das Prozessgericht ausspricht, die sofortige weitere Beschwerde statt; § 567 Abs. 3 Satz 3, § 568 Abs. 2 ZPO gelten nicht.
3.Im vorliegenden Fall ist entgegen der Vorinstanzen das Wohnungseigentumsgericht zuständig. § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist weit auszulegen. Wie auch bei Entscheidungen über die Zulässigkeit des Rechtswegs ganz allgemein, ist in erster Linie darauf abzustellen, welches Begehren von einem Antragsteller zur Entscheidung gestellt wird und aus welchem Rechtsverhältnis er dieses Begehren herleitet. Ausschlaggebend für die Zuständigkeitszuweisung ist dabei nicht die jeweilige Rechtsgrundlage, aus der die Ansprüche hergeleitet werden, sondern allein der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist (h.R.M.). Der hier geltend gemachte Anspruch ergibt sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nach § 242 BGB (vgl. auch BGHZ 130, 169 und 170 sowie BGHZ 109, 179/185). Hier hat Gleiches zu gelten wie etwa bei Ansprüchen einzelner Eigentümer für Anträge gegen die restlichen Eigentümer auf Zustimmung zur Änderung von Miteigentumsanteilen. Im vorliegenden Fall geht es also nicht um eine Streitigkeit über Gegenstand oder Umfang eines Sondereigentums oder eine sonstige Streitigkeit über die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft, für die der Rechtsweg zu den Prozessgerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben wäre. Die Antragsteller begründen vorliegend auch ihren Anspruch nicht mit Eigentum an dem besagten Raum. Grundlage des geltend gemachten Anspruches ist vielmehr das in den §§ 10-19 WEG geregelte Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer. Weiterhin geht es hier auch nicht um die Begründung oder Einräumung von Sondereigentum an einem Raum, der gemeinschaftliches Eigentum ist, aufgrund eines besonderen Vertrages; im vorliegenden Fall wird der Anspruch auf das Gemeinschaftsverhältnis und § 242 BGB gestützt.
4.Somit musste (erneut) die Zuständigkeit des Amtsgerichts für Wohnungseigentumssachen bestätigt und die Sache zu dortiger erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückgegeben werden.
5. Für ein Verfahren über die Zulässigkeit des Rechtswegs, das zu keiner Sachentscheidung führt, erscheint als Geschäftswert ein Bruchteil von 1/5 bis 1/3 des Hauptsachewerts als angemessen. Geht man von einem Hauptsachewert des umstrittenen Speicherraums in etwa von DM 100.000 bis DM 120.000 aus, musste vorliegend der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf DM 30.000,- festgesetzt werden (in Änderung früherer Rechtsprechung des Senats).
Außergerichtliche Kostenerstattung wurde nicht angeordnet.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 30.04.1998, 2Z BR 11/98= BayObLGZ 1998 Nr. 30)
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