1 Leitsatz

Der Aufenthalt einer Person ist unbekannt, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt.

2 Normenkette

§ 28 WEG; § 185 ZPO

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K macht gegen Wohnungseigentümer B Zahlungsansprüche in Höhe von insgesamt 59.331,56 EUR geltend (Hausgeldklage). K beantragt unter Vorlage einer negativen Einwohnermeldeauskunft die öffentliche Zustellung dieser Klage. Dem gibt das AG statt. Mit ebenfalls öffentlich zugestelltem Versäumnisurteil verurteilt das AG den B später antragsgemäß zur Zahlung. Einen am 10.3.2022 eingegangenen Einspruch des B verwirft das AG als unzulässig. Die dagegen gerichtete Berufung weist das LG zurück. Gegen die damit verbundene Nichtzulassung der Revision wendet sich B mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Nach § 185 Nr. 1 ZPO könne die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich sei. Unbekannt sei der Aufenthalt einer Person, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kenne. So liege es nicht. AG und LG hätten aufgrund der Darlegungen der K nicht davon ausgehen dürfen, dass diese alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt hatte, um den Aufenthalt des B zu ermitteln. Insbesondere lasse sich nichts aus dem einmaligen Fehlschlag einer Zustellung schlussfolgern. Das gelte umso mehr, als der frühere Rechtsanwalt X des B anschließend dessen Meldeadresse in Tschechien bestätigt und auf berufsbedingte Auslandsaufenthalte des B verwiesen habe. Jedenfalls sei es K möglich und zumutbar gewesen, den B über die ihr bekannte E-Mail-Adresse zu kontaktieren und ihn mit Blick auf die beabsichtigte Klageerhebung aufzufordern, eine – gegebenenfalls von der Meldeadresse in Tschechien abweichende – Zustelladresse anzugeben oder einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, ob die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung vorliegen.

Öffentliche Zustellung

In einem Erkenntnisverfahren darf eine öffentliche Zustellung nur angeordnet werden, wenn die begünstigte Partei alle der Sache nach geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt hat, um eine öffentliche Zustellung zu vermeiden, und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht dargelegt hat. Der einmalige Fehlschlag einer Zustellung reicht dazu nicht.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Die Verwaltungen müssen wissen, wo die Wohnungseigentümer wohnen. Der Fall zeigt, dass die Verwaltungen hier nicht zu früh verzagen dürfen.

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 22.2.2024, V ZR 117/23

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge