Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG, § 122 AO, § 134 BauGB
Kommentar
Bei behördlichen Bescheiden (Verwaltungsakten) an Wohnungseigentümer stellt sich nicht selten die Problematik, ob diese Bescheide im Sinne der öffentlich-rechtlichen Gesetzesgrundlagen unter Berücksichtigung wohnungseigentumsrechtlicher Grundsätze (also das Innenverhältnis der Eigentümer betreffend) richtig adressiert wurden, wenn sie z. B. an die Gemeinschaft, z. H. des in der Zustellung vertretenen Verwalters an die einzelnen Eigentümer (mit beigefügter Einzelaufteilung), ebenfalls zu Händen des Verwalters oder auch an die einzelnen Eigentümer direkt über einzelne, separate Bescheide (Sammelbescheid, Einzelbescheide) gerichtet wurden. Die Fragen sind nicht zuletzt bedeutsam für den Lauf etwaiger Einspruchsfristen gegen solche behördlichen Bescheide.
Nachfolgend dürfen zwei verwaltungsgerichtliche Urteile angesprochen werden; es ging einmal um die Zustellungs- und Adressatsfrage eines Kommunalabgabenbescheides, gerichtet an eine "Eigentümergemeinschaft . . .-Platz" und zum anderen um einen Schornsteinfegergebührenbescheid, adressiert "an die Eigentümergemeinschaft, vertr. durch den Hausverwalter" im Anschluss an die Abgaswegeüberprüfung für zwei Feuerungsanlagen im Sondereigentum.
1. Fall: Kommunalabgabenbescheid
Eine Gemeinde in NRW hatte einen Kommunalabgabenbescheid "an die Eigentümergemeinschaft . . .-Platz" adressiert. Im Streit über richtige Zustellung und Adressierung kam das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 20.06.1991 zu dem Ergebnis, dass es für die Feststellung, gegen wen sich ein Beitragsbescheid richte, nicht darauf ankomme, wer in der Anschrift als Adressat benannt sei, vielmehr der Gesamtinhalt des Bescheides maßgeblich sei. Belastet sei derjenige, der von dem Bescheid dem Inhalt nach betroffen sei ("Inhaltsadressat"!). Diese Inhaltsbetroffenheit müsse sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bescheid selbst ergeben, wobei objektive Auslegungsgrundsätze maßgeblich seien (wie konnte ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen).
Nach dieser Auslegung ergebe sich für den fraglichen Bescheid, dass dieser sich nicht gegen eine eigenständige Personenmehrheit "Wohnungseigentümergemeinschaft" richte, sondern gegen deren Mitglieder. Diese Auslegung stütze sich im konkreten Fall darauf, dass im Bescheid von Gesamtschuldhaftung der Wohnungs- und Teileigentümer nach WEG gesprochen wurde. Im Bescheid wurde auch auf eine beigefügte Anlage verwiesen, in der die einzelnen Miteigentumsanteile genannt waren, sodass erkennbar geworden sei, dass die Behörde mit ihrer Beitragsforderung unmittelbar an die jeweiligen Eigentumsanteile anknüpfen wollte. Hätte die Gemeinde die Gemeinschaft als solche belasten wollen, wären solche Anteilsbezeichnungen nicht notwendig gewesen. Somit habe sich der Bescheid nicht gegen die Eigentümergemeinschaft, sondern ausschließlich gegen die Miteigentümer gerichtet. Der von der Gemeinde offensichtlich allein aus Vereinfachungsgründen gewählte Adressat "Eigentümergemeinschaft . . .-Platz" sei bei dieser Sachlage für die Frage des richtigen Inhaltsadressaten des Bescheides nicht von Bedeutung.
Es bestünden auch keine Bedenken dagegen, dass die Gemeinde gegen die Miteigentümer nicht gesonderte Beitragsbescheide erlassen hätte. Nach dem Kommunalabgabenrecht könne gegen mehrere Abgabenpflichtige ein zusammengefasster Bescheid ergehen, wenn insoweit eine gesamtschuldnerische Zahlung - wie hier im konkreten Fall - geschuldet werde.
Ein Verwaltungsakt sei i. Ü. demjenigen bekanntzumachen, für den er bestimmt sei oder der von ihm betroffen werde. Bekanntgabe in diesem Sinn sei ein willentlicher behördlicher Akt, durch den die erklärende Behörde den Erklärungsempfänger vom Inhalt des Verwaltungsaktes in Kenntnis setze. Hier sei der Heranziehungsbescheid für die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft . . . bestimmt gewesen. Die Bekanntgabe sei allein gegenüber dem Wohnungsverwalter erfolgt; diese Bekanntgabe müssten sich jedoch die Miteigentümer gem. § 122 Abgabenordnung zurechnen lassen. Danach wirke die Bekanntgabe an einen Dritten dann gegenüber dem Inhaltsadressaten des Verwaltungsaktes, wenn der Dritte bevollmächtigt sei. Eine derartige Vollmacht zugunsten des Verwalters habe vorgelegen, da ein Wohnungsverwalter mit gesetzlicher Vertretungsmacht nach § 27 WEG ausgestattet sei. Im vorliegenden Fall habe es sich insoweit um eine Gemeinschaftsangelegenheit im Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG gehandelt. Gemeinschaftliche Angelegenheiten seien solche, die - anknüpfend an das Wohnungseigentum und die darauf gründende Gemeinschaft - ihrer Natur nach jeden Wohnungseigentümer betreffen könnten, wobei es unerheblich sei, ob im konkreten Einzelfall auch tatsächlich alle Wohnungseigentümer betroffen seien.
Link zur Entscheidung
( OVG für das Land NRW, Urteil vom 20.06.1991, 2 A 1236/89= DWE 2/1992, 59)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Der Hessische VGH hat seinerzeit mit Urteil vom 07.09.19...