Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Zweckbestimmungswidrige Umgestaltung eines Teileigentums in 47 neu in sich abgeschlossene Wohnappartements kann aufgrund der intensiveren Nutzung von Gemeinschaftsflächen in typisierender Betrachtungsweise mehr stören als eine gewerbliche Nutzung
Normenkette
§ 1 Abs. 1 und 3, § 10 Abs. 2, § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 und 3 WEG
Kommentar
1. Wird ein bisher einheitlich genutztes gewerbliches Teileigentum (eigener Altbau), das Teil einer Wohnanlage ist, baulich so umgestaltet, dass in ihm nunmehr 47 in sich abgeschlossene Wohnappartements geschaffen werden, die der nicht nur kurzzeitigen Aufnahme wohnbesitzloser, psychisch erkrankter Personen dienen, ist die vorgesehene Nutzung eine solche zu Wohnzwecken. Ein derartiger Gebrauch kann infolge der damit in der Regel verbundenen intensiveren Nutzung von Gemeinschaftsflächen mehr stören, als eine gewerbliche Nutzung. Für diese Beurteilung kommt es auch auf den Charakter und das Umfeld der gesamten Wohnanlage an.
2. Vorliegend besaß deshalb ein Eigentümer einen berechtigten Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB. Bereits den Umbau brauchte die Antragstellerseite nicht zu dulden, weil dieser schon den Beginn der unzulässigen Nutzung zu Wohnzwecken darstellt (vgl. BayObLG v. 18.12.1998, 2Z BR 166/98, WuM 1999, 178; BayObLG v. 18.6.1993, 2Z BR 50/93 1993, 490).
3. Die Rechtsnatur von Sondereigentum als Wohnungseigentum einerseits oder als Teileigentum andererseits ist bereits eine allgemeine Zweckbestimmung. Vorliegend war eine Nutzung des Teileigentums zu Wohnzwecken nach dem Konzept des Antragsgegners von diesem beabsichtigt. Ob nun eine Nutzung zu Wohnzwecken mehr stört, als die der Zweckbestimmung gemäße Nutzung (hier: als gewerbliche Räume), bemisst sich anhand einer typisierenden Betrachtungsweise (h.R.M.). Im Rahmen einer vergleichenden Betrachtung ist bei Auslegung der in der Teilungserklärung getroffenen Zweckbestimmung auf eine wertende Betrachtung und eine Gesamtwürdigung der Teilungserklärung unter Einbeziehung der örtlichen Verhältnisse abzustellen. Üblicherweise bestimmt die Zahl von Wohnungen und Teileigentumseinheiten die Größe einer Wohnanlage und stellt auch einen wertbeeinflussenden Umstand dar. Ein nicht zu duldender Nachteil kann sich auch aus der Gefahr einer intensiveren Benutzung veränderter Räumlichkeiten ergeben (BGH v. 21.12.2000, V ZB 45/00, BGHZ 146, 241 (248) m.w.N.). Vorliegend wurde zu Recht vom LG auf einen erheblich intensiveren Gebrauch der auch für Bewohner des Altbaus unmittelbar zugänglichen gemeinschaftlichen Freiflächen abgestellt; typischerweise werden solche Innenhofgemeinschaftsflächen bei einer gewerblichen Gebäudenutzung nicht oder nur in sehr beschränktem Umfang, vor allem in zeitlicher Hinsicht in Anspruch genommen; durch neue Bewohner wäre eine wesentlich intensivere und auch nicht auf bestimmte Tageszeiten beschränkte Nutzung der Freiflächen zu erwarten; dies müssen die restlichen Eigentümer nicht in duldungspflichtiger Weise hinnehmen.
4. Die Untersagung einer solchen Nutzung eines Teileigentums verstößt auch nicht gegen die Richtlinie 2000/43/EG des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft; denn eine Untersagung der Wohnraumnutzung stellt weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie dar; auch erfasst die Richtlinie gem. Art. 1 nicht den gegenständlichen Kreis wohnungsloser, psychisch erkrankter Personen. Schließlich ist auch der Schutzbereich des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG schon deshalb nicht eröffnet, weil es an einer behindertenbezogenen Ungleichbehandlung fehlt. Ob die als Bewohner in den neuen Appartements vorgesehenen Personen i.Ü. Behinderte im Sinne dieser Vorschrift sind, kann dahinstehen.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 10.11.2004, 2Z BR 169/04