Anwaltliche Sorgfaltspflichten bei der Zwangsvollstreckung
Zu den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts gehört es, den ihm erteilten Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden.
Liegt der Vollstreckungstitel vor, ist die Forderung vom Anwalt zügig durchzusetzen
Besteht der Auftrag in der zwangsweisen Durchsetzung einer Forderung und hat der Rechtsanwalt einen Vollstreckungstitel gegen den Schuldner erwirkt, dann muss er zügig Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten. Anderenfalls kann er sich schadenersatzpflichtig machen, wenn die Forderung des Mandanten in Folge der Verzögerung nicht mehr realisiert werden kann.
Bei wirtschaftlich instabilem Schuldner ist besondere Vollstreckungseile geboten
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Schuldners Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Verzögerung zum Ausfall des Mandanten führen würde. Der Anwalt hat die Zwangsvollstreckung dann mit besonderer Beschleunigung zu betreiben und einem möglichen Rechtsverlust des Mandanten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken.
Haftungsproblem: Insolvenz des Schuldners überholt zögerliche Vollstreckungsmaßnahme
In einem vom BGH entschiedenen Fall hielt ein Rechtsanwalt, der mit der Zwangsvollstreckung aus einem erwirkten Titel beauftragt war, es für möglich, dass die Schuldnerin Insolvenz anmelden könne. Jedenfalls hat er darüber selbst im Internet berichtet. Zudem war ihm eine Kontoverbindung der Schuldnerin aus den von seinem Mandanten eingereichten Unterlagen bekannt.
- Gleichwohl veranlasste er nicht unmittelbar eine Kontenpfändung,
- sondern erteilte zunächst dem Gerichtsvollzieher einen Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft.
- Zu dem vom Gerichtsvollzieher anberaumten Termin erschien die Schuldnerin nicht.
- Unmittelbar nachdem der Rechtsanwalt hierüber informiert worden war, stellte die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen.
Die titulierte Forderung seines Mandanten ließ sich in Folge dessen nicht mehr realisieren.
Schadenersatzpflicht des Anwalts, da er die Insolvenzgefahr kannte
Der BGH sah in dem Verhalten des beauftragten Rechtsanwalts eine Verletzung seiner Sorgfaltspflichten. Da ihm die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens der Schuldnerin bekannt gewesen sei, hätte er unmittelbar eine Kontenpfändung veranlassen müssen anstatt dem Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag zu erteilen. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger seien zu dem Zeitpunkt noch erfolgreich gewesen. Es sei daher davon auszugehen, dass bei Einleitung der zutreffenden Maßnahmen auch die Forderung seines Mandanten noch hätte realisiert werden können.
Eine Anfechtungsmöglichkeit durch den Insolvenzverwalter hielt der BGH nicht für möglich, sodass er den Rechtsanwalt im Ergebnis zum Schadenersatz verurteilte.
(BGH, Urteil v. 19.09.2019, IX ZR 22/17).
BRAK fordert gesetzlich sanktionierte Fortbildungspflicht
Nicht umsonst fordert die Bundesrechtsanwaltskammer seit Jahren eine gesetzlich sanktionierte Fortbildungspflicht, denn gehäufte Haftungsfälle gefährden die Zulassung.
Vor diesem Hintergrund kommt einer effektiven Berufshaftung umso mehr reinigende Wirkung zu, scheidet sie doch die Spreu vom Weizen, weil Anwälten, die gleich mehrmals daneben greifen, der Verlust des Versicherungsschutzes droht – und damit zugleich der Verlust der Zulassung!
Allerdings muss die Anwaltshaftung klaren Regeln folgen. Dass viele Mandanten (und auch Richter) aus einer Vollkasko-Mentalität heraus dazu neigen, den Anwalt für eigene Versäumnisse und Lebenslügen zum Sündenbock zu stempeln, kann nicht der Ansatz sein.
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