In dem Fall verfolgte eine Anwältin Ansprüche wegen behaupteter Prospektfehler und angeblich fehlerhafter Beratung für eine Mandantin. Das die Klage abweisende Urteil des LG Hamburg wurde ihr am 5.6.2013 zugestellt. Am 2.7.2013 legte sie Berufung ein.
Wiedereinsetzung in versäumte Berufungsbegründungsfrist
Mit Telefax vom 7.8.2013 beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist und begründete die Berufung.
- Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs führte sie aus, dass das Computersystem im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten, über das die Akten- und Fristenverwaltung laufe, wegen eines Unwetters am Wochenende vom 2. bis zum 4.8.2013 ausgefallen und erst am 6.8.2013 wieder eingeschränkt nutzbar gewesen sei.
- In einem Parallelverfahren habe am 5.8.2013 handschriftlich ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden können, weil der Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieser Fristablauf aus dem Gedächtnis bekannt gewesen sei.
- Im vorliegenden Verfahren sei ihrer Prozessbevollmächtigten auf Grund der Vielzahl von Fristabläufen nicht aus dem Gedächtnis bekannt gewesen, dass diese Frist ebenfalls am 5.8.2013 ablaufen werde.
Da im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts bekanntlich eine große Masse an Fällen parallel bearbeitet würde, sei es auch bei größtmöglicher Sorgfalt nicht möglich, alle Fristabläufe auswendig im Kopf zu haben.
Extrem viele Fristabläufe
Das sahen die Richter am Bundesgerichtshof völlig anders. Nach gefestigter Rechtsprechung verlangt die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen.
„Treten Störungen in der Organisation des Büros auf, die dazu führen können, dass die Pflichten des Anwalts bei der Fristenkontrolle nicht erfüllt werden, erhöhen sich seine Sorgfaltspflichten. Er muss sicherstellen, dass seine Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllen, wenn das zur Fristenkontrolle eingerichtete System auf Grund eines Computerdefekts vorübergehend nicht zuverlässig funktioniert“
, betonen die Karlsruher Richter.
Der BGH empfiehlt: Handakten bemühen
Die Durchsicht der vorgelegten Handakten habe sich vorliegend insbesondere deshalb aufgedrängt, weil die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen ist, so dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin damit rechnen musste, dass sich unter den ihr vorliegenden Handakten solche befinden, die ihr auf Grund der Vorfrist im Hinblick auf den bevorstehenden Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden sind.
- Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihrer Prozessbevollmächtigten die händische Durchsicht der ihr vorliegenden Handakten auf Fristabläufe tatsächlich nicht möglich gewesen wäre,
- sondern sie habe nur ohne die eine Beurteilung ermöglichende Substanz behauptet, es seien in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten an jedem Tag „extrem viele“ Fristabläufe zu beachten und zu bearbeiten gewesen,
monierte der BGH. Auf die Frage, ob das von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommene Wiedereinsetzungsvorbringen den Anforderungen genügt, die im Fall eines auf einen vorübergehenden Computerabsturz gestützten Wiedereinsetzungsantrags an die substantiierte Darlegung der Art des Defekts und seiner Behebung zu stellen sind, komme es vorliegend nicht an.
(BGH, Beschluss vom 27.1.2015, II ZB 23/13).