Wie viele Anwaltskanzleien in Deutschland pro Jahr in die „Pleite“ schlittern, ist nirgendwo statistisch erfasst. Letzte Ursachen sind häufig Rückstände beim Versorgungswerk, bei Krankenkassen und bei den Sozialversicherungsträgern. Die Zahl dieser Fälle exakt zu ermitteln, ist auch deshalb nicht möglich, weil die von einer Insolvenz bedrohten Rechtsanwälte ihre Zulassungen häufig selbst zurückgeben, um anschließend in die Verbraucherinsolvenz zu fliehen. Dann erfahren auch die Kammern offiziell nichts von der Insolvenz.
Gefährlich: Zu sehr auf einzelne Mandanten setzen
Besonders insolvenzgefährdet sind Kanzleien, die sich zu stark auf einen oder auf wenige Mandanten konzentriert und sich damit in eine gewisse Abhängigkeit begeben haben. Fällt ein solcher Mandant - etwa infolge eigener Insolvenz - weg, macht sich das schmerzlich in einem drastischen Umsatzeinbruch bemerkbar, der – wenn überhaupt – dann nur mittel- bis langfristig durch den Aufbau neuer Mandantenbeziehungen wieder ausgeglichen werden kann.
Zu wenig spezialisiert und profiliert
Andererseits dürften auch solche Kanzleien gefährdet sein, die eine unzureichende Schwerpunktbildung aufweisen und sich deshalb in einem aggressiver werdenden Anwaltsmarkt gegenüber ihren Wettbewerbern nicht hinreichend positionieren können. Hierbei wird natürlich das Umfeld der Kanzleien zu berücksichtigen sein: Im ländlichen Bereich erwartet das Publikum nach wie vor eher den Allgemeinanwalt, der in den als mehr alltäglich empfundenen Problemkreisen eine sachgerechte „Rundum-Betreuung“ bieten kann, während im städtischen Bereich vermehrt Spezialwissen nachgefragt wird.
Hohe Honorar-Außenstände
Ein weiterer gewichtiger Grund dürfte in der schlechten Zahlungsmoral einer zunehmenden Anzahl von Mandanten zu sehen sein. Rechnungen von Rechtsanwälten werden häufig erst nach mehrfacher Mahnung bezahlt. Honorarprozesse nehmen nach der Beobachtung von Experten zahlenmäßig zu.
Konkurrenz unterschätzt
Sicherlich gibt es auch Fälle, in denen sich Rechtsanwälte/Kanzleien nicht bzw. nicht rasch genug auf ein geändertes Nachfrageverhalten der Recht suchenden Bevölkerung einstellen konnten. Schließlich nimmt die Konkurrenz zu, sowohl im anwaltlichen als auch im nichtanwaltlichen Bereich. Rechtsberatung wird vermehrt anderweitig – etwa bei Steuerberatern, Banken, Versicherungen, Verbraucherberatung und nicht zuletzt über Legal-Tech-Angebote im Internet - nachgefragt.
Falscher Umgang mit Geld die Ausnahme
Nur eine Minderheit die betroffenen Rechtsanwälte hat vor der Insolvenz schlicht über ihre Verhältnisse gelebt. Zweifellos wird es Fälle geben, in denen leichtfertiges Konsumverhalten sich fatal auswirkte - Rechtsanwälte sind Menschen wie andere auch. Sie machen ebenso Fehler wie andere, auch bei der Verwaltung ihrer eigenen Finanzen.
Fehlinvestitionen und haftungsrechtlich ungünstige Rechtsform
In wirtschaftlich guten Zeiten eingegangene Verbindlichkeiten – auch und gerade solche, die sich im Nachhinein als Fehlinvestition erweisen – bestehen fort und belasten in wirtschaftlich schlechten Zeiten umso mehr. Bei ihnen fällt es vor allem deshalb ins Gewicht, weil die Neigung, Kapitalgesellschaften zu gründen und so das Risiko der persönlichen Betroffenheit zu reduzieren, im Vergleich zu Gewerbetreibenden eher schwach ausgeprägt ist, schon weil eine solche Rechtsform nicht von allen Mandanten gut aufgenommen wird.
Kanzleicontrolling vernachlässigt
Insbesondere Kanzleicontrolling ist ein wichtiges Werkzeug um, bessere Entscheidungen bei der Führung der Kanzlei zu treffen und im Auge zu behalten, ob Umsatz und Kostenanstieg in einem gesunden Verhältnis stehen:
Wer ein Unternehmen führt, muss sich über alle Aspekte informieren – das gilt für Anwaltsunternehmen ebenso wie für alle anderen.
Dabei ist es wichtig, den Überblick über betriebliche Kenngrößen zu behalten und Anreize zur Verhaltenssteuerung in die betriebswirtschaftlich richtige Richtung zu setzen.