Anwaltsvertrag kann als Fernabsatzvertrag widerruflich sein

Anwaltsverträge können, obwohl sie individuell angepasste Dienstleistungen zum Gegenstand haben, in bestimmten Fällen den Regeln für den Fernabsatz unterfallen und als solche widerrufen werden. Wann das möglich ist, hat der Bundesgerichtshof in einem neuen Urteil umrissen.  

In dem entschiedenen Fall hatte eine auf Anlagerecht spezialisierte Kanzlei einer GmbH eine Vielzahl von außergerichtlichen Blankovollmachten und Fragebögen überlassen.

Die GmbH schrieb geprellte Anteilseigner an einer Fondsgesellschaft mit den Dokumenten in der Anlage an und verwies in dem Anschreiben auf die Dienste der Anwaltskanzlei. Ein Fondsbeteiligter unterschrieb daraufhin die Vollmacht.

Durch zugeschickte Vollmacht geschlossenen Anwaltsvertrag widerrufen

Weil das Anwaltsschreiben an den Fonds nicht zu Klärung des Rechtsfalls führte, schrieb die Kanzlei den Mandanten an und

  • bat um Unterzeichnung einer Vollmacht für die gerichtliche Vertretung, damit die Kanzlei den Fonds verklagen konnte.
  • Als der Mandant das ablehnte, schickte ihm die Kanzlei eine Rechnung über die außergerichtliche Beratung.
  • Deren Begleichung lehnte der Mandant ab
  • und widerrief gleichzeitig den mit der ihm zugeschickten Vollmachtab geschlossenen Anwaltsvertrag.

Die Kanzlei klagte das Honorar ein – und verlor.

Verbraucherschutz spricht für Widerrufsmöglichkeit von Anwaltsverträgen

Der Mandant habe den Anwaltsvertrag wirksam widerrufen, befand der Bundesgerichtshof.

  • Damit erteilten die Karlsruher Richter dem Hauptargument der klagenden Kanzlei eine Absage,
  • die einen Widerruf eines Anwaltsvertrags deshalb generell für nicht gerechtfertigt hielt,
  • weil es darin primär um persönliche Dienstleistungen gehe.

Es entspreche der Lebenswirklichkeit, so der BGH, dass sich auch Rechtsanwälte moderner Vertriebsformen über Fernkommunikationsmittel, insbesondere über das Internet, bedienen. Der Schutz der Verbraucher gebiete es, die Normen des Fernabsatzrechts auch hier anzuwenden.

Bereithalten des E-Mail-Accounts reicht noch nicht für Fernabsatzgeschäft

Auch das weitere Argument der Kanzlei, der Vertragsschluss mit den Mandanten sei nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt, wie es § 312b I 1 BGB a.F. voraussetzt, erteilte das Gericht eine Absage.

  • Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem liegt vor,
  • wenn der Unternehmer in seinem Betrieb die personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen hat,
  • die notwendig sind, regelmäßig Geschäfte im Fernabsatz bewältigen zu können.

Ausreichend ist dabei die planmäßige Werbung eines Unternehmers mit dem Angebot telefonischer Bestellung und Zusendung der Ware.

Was reicht nicht aus, um Fernabsatz anzunehmen?

Demgegenüber genügt es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht, dass der Unternehmer auf seiner Homepage lediglich Informationen etwa über seine Waren oder Dienstleistungen zur Verfügung stellt. Auch das bloße Bereithalten eines Briefkastens, elektronischer Postfächer oder Telefon- und Faxanschlüsse reicht nicht aus. Denn diese Kommunikationsmittel sind ja schon zur Bewältigung des Betriebs einer Anwaltskanzlei erforderlich.

Zwischenschalten einer Gesellschaft für den Vertrieb als Fernabsatzgeschäft

Im vorliegenden Fall hat sich die Kanzlei darüberhinausgehend der Gesellschaft bewusst bedient, um eine Vielzahl von Mandaten in Kapitalanlagefällen ohne persönlichen Kontakt zu den potentiellen Mandanten und unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zu gewinnen.

Insoweit stellte der Bundesgerichtshof klar:

Die Voraussetzungen des § 312b BGB a.F. sind auch dann erfüllt, wenn der Unternehmer ein fremdes Organisations- und Dienstleistungserbringungssystem nutzt.

Das nahmen die Karlsruher Richter hier auch deshalb an, weil die Kanzlei der Gesellschaft zuvor eine Vielzahl von Blankoformularen überlassen hatte.

(BGH, Urteil vom 23.11.2017, IX ZR 204/16).

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