Widerruf eines Anwaltsvertrags nach dem Fernabsatzgesetz ist ausgeschlossen
Mit seiner Klage verlangte der Kläger von dem beklagten Anwalt Rückzahlung von als Anwaltshonorar einbehaltenen vergleichsweise geleisteten Zahlungen nach erklärtem Widerruf des Anwaltsvertrags.
Nach einer Reise ging es um Gewährleistungsansprüche
Der Kläger und seine Ehefrau beabsichtigten im Jahre 2014 nach einem Urlaub auf Kuba gegen den Reiseveranstalter und ein ausführendes Luftfahrtunternehmen Gewährleistungsansprüche geltend zu machen.
- Der Kläger wurde über das Internet auf den Anwalt aufmerksam.
- Dieser ist im Luftverkehrs- und Reiserecht tätig und unterhält eine Internetseite.
- Die Korrespondenz erfolgte in erster Linie fernmündlich oder per E-Mail.
Vergleich ausgehandelt
Der Anwalt wurde für den Kläger tätig und erreichte, dass vergleichsweise ein Betrag von 1700 Euro zur Abgeltung aller Forderungen angeboten wurde. Dies teilte der der Anwalt dem Mandanten telefonisch und per E-Mail mit. Der Mandant erklärte in dem Telefongespräch, dass er und seine Frau den Vergleich annehmen und bestätigte dies auch per E-Mail-Antwort auf die Mail des Anwalts.
Reiseveranstalter lehnte Erstattung der Anwaltskosten ab
Das Geld wurde an den Anwalt überweisen. Allerdings lehnte der Reiseveranstalter eine Erstattung der Rechtsanwaltskosten ab. Deshalb zog der Anwalt seine Kostennote über 1019,05 Euro von den 1700 Euro ab und überwies dem Mandanten 680,05 Euro.
Der Mandant sah das nicht ein und klagte auf Überweisung von 1019,05 Euro. Dazu widerrief er den Anwaltsvertrag und meinte, der Anwalt sei ungerechtfertigt bereichert.
Sinn und Zweck des Widerrufs von Fernabsatzverträgen
Doch das AG Berlin-Charlottenburg sah das anders. Das Honorar sei so im Geschäftsbesorgungsvertrag und in der Vergütungsvereinbarung festgeschrieben worden.
Der Anwalt habe fünf Stunden abgerechnet. Dies erscheine vor dem Hintergrund, dass es sich um zwei Anspruchsgegner handelte und angesichts der mitgeteilten unstreitig erfolgten Gespräche und der E-Mail-Kommunikation für eine über vier Monate dauernde Tätigkeit auch nicht ungewöhnlich hoch.
Kein Widerrufsrecht aus § 312 c BGB
Dieser Rechtsgrund sei auch nicht infolge des durch den Mandanten erklärten Widerrufs rückwirkend entfallen. Denn dem Mandanten stand kein Widerrufsrecht zu.
- Ein Widerrufsrecht ergibt sich laut Richterspruch nicht aus § 312 c BGB.
- Die Norm finde auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag keine Anwendung.
Keine BGH-Entscheidung zu Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts
Es ist höchstrichterlich zwar noch nicht entschieden, ob und wann die Regelungen über den Widerruf von Fernabsatzverträgen auf Anwaltsverträge Anwendung finden. Das Gericht vertritt insoweit die Auffassung, dass die geschilderten Umstände es nicht rechtfertigen, den Anwaltsvertrag dem Fernabsatzvertragsrecht zu unterwerfen.
Dies ergebe sich sowohl aus dem Zweck der Vorschriften über den Fernabsatzvertrag als auch aus den Erwägungsgründen des Verordnungsgebers.
- Sinn und Zweck des Widerrufsrechts sei es, den Verbraucher vor den typischen Risiken des Fernabsatzvertrags zu schützen.
- „Diese bestehen vor allem darin, dass er die Ware oder Dienstleistung nicht vorher in Augenschein nehmen kann und sich an keine natürliche Person wenden kann, um Informationen zu erhalten.
- Daraus folgt, dass immer dann, wenn die persönliche Dienstleistung im Vordergrund steht, die typische Situation des Fernabsatzvertrags nicht gegeben ist“,
betonte das Gericht. Dem trage auch Erwägungsgrund 20 der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU Rechnung, welcher bestimmt, dass der Begriff des Fernabsatzvertrags zumindest „keine Reservierungen eines Verbrauchers über ein Fernkommunikationsmittel im Hinblick auf die Dienstleistung eines Fachmanns, wie beispielsweise eines Telefonanrufs eines Verbrauchers zur Terminvereinbarung mit einem Friseur einschließen [soll]“.
Rechtsanwalt liefert maßgeschneiderte Lösungen
Bei der Rechtsberatung handele es sich aber gerade um eine Dienstleistung, die durch die persönliche Erbringung durch einen Rechtsanwalt gekennzeichnet sei. Dabei gehe es stets „um eine individuelle, auf den Einzelfall bezogene Leistung. Dies gilt auch dann, wenn die Fälle gleichgelagert sind oder sich Synergieeffekte ergeben, wie dies etwa im Kapitalanlage- oder Reise- und Luftverkehrsrecht oftmals der Fall ist.
Die Ähnlichkeiten der einzelnen Fallkonstellationen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer noch eine maßgeschneiderte Leistung erbracht werden muss. Dies ergibt sich bereits aus den individuell verschiedenen Anspruchsberechtigten und den unterschiedlichen Streitgegenständen“, erläuterte das Gericht.
Anwaltsberatung ist keine vorgefertigte Massenware
Gerade diese und die dem Begriff des Streitgegenstands vorgelagerten Begriffe der Angelegenheit und des Gegenstands zeigten, dass es im Bereich der Rechtsberatung keine vorgefertigte Massenware gebe.
„Es handelt sich eben gerade nicht um die gleiche Ware oder eine identische Dienstleistung, da die beteiligten Personen dem zu prüfenden Rechtsverhältnis erst seine Eigenheit geben. Recht selbst lässt sich in diesem Zusammenhang als die Struktur des Verhältnisses von Personen beschreiben. Dass individuell angepasste Dienstleistungen nicht im Zielbereich der Vorschriften über den Fernabsatzvertrag liegen, zeigt schließlich auch die Ausnahmevorschrift des § 312g Absatz II Nr. 1 BGB, welche nicht vorgefertigte Waren, welche individuell ausgewählt werden und auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind, vom Widerrufsrecht ausnimmt."
Auch wenn der Mandant den Anwalt nicht aufsucht, fällt der Anwaltsvertrag nicht unter das Fernabsatzgesetz.
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Dies gilt ungeachtet dessen, ob der Vertrag ausschließlich unter der Anwendung von Fernkommunikationsmitteln im Rahmen eines besonderen Vertriebssystems geschlossen wird.
(AG Berlin-Charlottenburg, Urteil v. 15.9.2015, 216 C 194/15).
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Link zum Urteil zu finden unter:
http://www.rechtsanwalt-lattorf.de/Rechtsanwaltsvertrag-widerufbar.html