Die Bundeskanzlerin hat nach Auffassung der Beschwerdeführer mit ihrer Flüchtlingspolitik „den Rahmen der Gesetze verlassen, den die Wähler ihr durch das Parlament vorgegeben haben“. Antweiler bezeichnete Merkel gar als Wiederholungstäterin, die schon bei der autokratisch eingeführten Energiewende und bei der Euro-Rettung den Boden der europäischen und deutschen Gesetze verlassen habe.
"Menschen werden irre"
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo di Fabio, äußerte sich beim Neujahrsempfang der FDP in Düsseldorf äußerst kritisch über Merkel. „Es kann nicht sein, das Recht nicht mehr angewandt wird“ formulierte die Fabio mit Blick auf die ungeordnete Öffnung der deutschen Grenzen. „Wenn diese Republik politisch instabil wird, wird ganz Europa instabil“. Der Jurist warnt vor einer Spaltung des Landes. „Die Menschen werden irre an ihrem Rechtsstaat“ warnte er.
Asylrecht ist nicht schrankenlos
Für die CSU hat di Fabio ein Rechtsgutachten für eine mögliche Verfassungsklage verfasst. Die Fabio stellt dort die grundsätzliche Haltung der Regierung infrage, das Asylrecht kenne keine Obergrenze, so dass Asylsuchende grundsätzlich nicht abgewiesen werden könnten. Der ehemalige Verfassungsrichter äußert hierzu:
„Entweder es bleibt beim quantitativ unbegrenzten individuellen Recht auf Asyl bei dann auch individueller Prüfung einer drohenden politischen Verfolgung sowie der Einschränkung des Asylrechts beim Weg über sichere Drittstaaten, oder aber es gilt der weite Flüchtlingsbegriff, der von der europäischen Staatenpraxis und vom Handbuch der UNHCR zugrundegelegt wird, der aber dann klare Kontingentierungen, wirksame Verteilmechanismen sowie die Durchsetzung von Kapazitätsgrenzen erfordert“.
Bundesregierung muss mehr Druck auf Mitgliedstaaten ausüben
Der Verfassungsrichter betonte der Bund müsse auf die Wiederherstellung „des gemeinsamen europäischen Einwanderungs- und Asylrechts hinwirken“.
- Dies müsse die Bundesregierung gegebenenfalls auch mit Druck erreichen, indem sie beispielsweise Vertragsverletzungsverfahren gegen Staaten einleitete, die sich der Umsetzung der gesetzlichen Grundlagen der Flüchtlingspolitik verweigerten.
- Gegebenfalls „muss der Bund zur Wahrung der verfassungsstaatlichen Ordnung und zum Schutze des föderalen Gefüges zumindest einstweilen die gesetzmäßige Sicherung der Bundesgrenzen gewährleisten“.
Sicherung der Staatsgrenzen habe Vorrang
Nach dem Gutachten von di Fabio besteht eine völkerrechtliche Verpflichtung zur unbegrenzten Aufnahme von Opfern eines Bürgerkrieges oder bei einem Zerfall von Staaten nicht.
- Zum anderen begründe die EMRK kein Menschenrecht auf ungehinderte Einreise in einen Konventionsstaat und sehe auch keine unbegrenzte Pflicht zur Aufnahme von Vertriebenen und heimatlos gewordenen Menschen vor.
- Die Sicherung der Staatsgrenzen gehöre vielmehr zu den verfassungsrechtlichen Pflichten einer Regierung und sei spätestens dann erforderlich, wenn eine Sicherung der europäischen Außengrenzen nicht mehr funtioniere.
Nach seiner Auffassung ist die im Grundgesetz verankerte Drittstaatenregelung zur Anwendung zu bringen, nach der alle aus sicheren Drittstaaten (wie beispielsweise Österreich) illegal nach Deutschland Einreisenden an der Grenze zurückzuweisen seien.
Auch ehemalige BVerfG-Präsident Papier gegen unbegrenzte Einreise
Der ehemalige Präsident des BVerfG Hans-Jürgen Papier sieht in der derzeitigen Situation eine enorme „Kluft zwischen Recht und Wirklichkeit“. Die unbegrenzte Einreise hält er für einen Fehler. Rechtsfreie Räume seien kein Gebot der Verfassung sondern stünden im Widerspruch dazu. In einem dem „Handelsblatt“ gegebenen Interview schlägt Papier
- eine klare Trennung von Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen vor,
- eine vorübergehende Aussetzung der Schengen-Regelungen sowie
- die strikte Unterbindung von illegalen Einreisen.
Papier sagt aber auch ganz klar, dass eine Sicherung der Grenzen gegen Merkel nicht auf dem Klageweg durch gesetzt werden könne. Es handle sich hier um politische Entscheidungen, die nicht mit Hilfe des Verfassungsgerichts zu korrigieren seien.
Politische Entscheidungen - nicht durch BVerfG zu korrigieren
Die Anwälte wollen ihre Verfassungsbeschwerde dennoch nicht stoppen. Deren Klage geht auch auf Herausgabe der amtlichen Informationen, auf deren Grundlage die Entscheidung über der Einreise der Flüchtlinge aus Ungarn erfolgt sei. Solche amtlichen Informationen existieren nach Darstellung der Bundesregierung aber nicht. Nach Meinung der Anwälte ist das umso schlimmer.
- Eine einzige Person – nämlich die Kanzlerin – dürfe nicht durch einsame Entscheidungen das ganze Land einfach umkrempeln, sei es nun bei der Energiewende, bei der Euro-Rettung oder durch eine unbegrenzte Öffnung des Landes.
- Über eine Million Flüchtlinge seien 2015 ins Land gekommen, ohne dass das Volk gefragt worden wäre. Das Mandat zu einer so weitreichenden Entscheidung habe die Bundeskanzlerin vom deutschen Volk nicht erhalten.
- Die Anwälte bemängeln die mangelnde Teilhabe der Deutschen an der politischen Willensbildung.
- Die freiheitlich demokratische Grundordnung gerate in akute Gefahr, wenn weiterhin Personen aus einem archaisch-patriarchalischen Kulturkreis in so großer Zahl unkontrolliert einreise.
Deshalb sei die Flüchtlingspolitik Merkels verfassungswidrig.
Verfassungsklage der CSU eher unwahrscheinlich
Die Bundesregierung muss wohl nicht ernsthaft damit rechnen, dass Bayern auch noch eine Verfassungsklage veranlasst. Schon mit Blick auf die im März anstehenden Landtagswahlen würde dies ein Bild der Zerrissenheit der Regierung bieten, das sich nicht positiv auf die Wahlergebnisse auswirken würde. Der bayerische Löwe brüllt also vorerst nur, während die Kanzlerin hart bleibt und unbeirrt an einer europäischen Lösung unter Einschluss des schwierigen Partners Türkei arbeitet. Das BVerfG wird sie dabei wohl nicht stoppen.