Autokäufer hat für Mängelbeseitigung Recht auf Transportkostenvorschuss
Eine in Schleswig-Holstein ansässige Käuferin hatte über einen online betriebenen Fahrzeughandel einen PKW Smart zum Preis von 2.700 Euro gekauft.
- Kurze Zeit nach Übergabe stellte sie – nach ihrer Darstellung - einen Motordefekt fest
- und forderte die Verkäuferin unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auf.
- Die Verkäuferin bot telefonisch eine Nachbesserung an ihrem Geschäftssitz in Berlin an.
Fahrzeugüberführung nicht ohne Transportkostenvorschuss
Die Käuferin zeigte sich bereit, das Fahrzeug nach Berlin zu verbringen. Da dieses aber – wiederum nach ihrer Darstellung - nicht fahrbereit war, machte sie die Verbringung nach Berlin von der Zahlung eines Transportkostenvorschusses in Höhe von 280 Euro abhängig. Alternativ bot sie der Verkäuferin an, das Fahrzeug selbst bei ihr – ggfs. nach vorheriger Überprüfung der behaupteten Mängel - abzuholen.
Mängelbeseitigung in Eigenregie
Auf diese Aufforderung reagierte die Verkäuferin auch nach einer Nachfristsetzung durch die Käuferin nicht.
- Darauf ließ die Käuferin die Reparatur selbst durchführen
- und verlangte Ersatz für die ihr entstandenen Reparatur-, Transport- und Reisekosten in Höhe von insgesamt 2.332,32 Euro.
Da die Verkäuferin jegliche Zahlung ablehnte, reichte die Käuferin Klage ein.
Vorinstanzen verneinen Wirksamkeit des Nachbesserungsverlangens
Sowohl das AG als auch das LG wiesen die Klage der Käuferin ab.
- Ersatz der Kosten für die in ihrem Auftrag durchgeführte Mängelbeseitigung könne die Käuferin nur verlangen,
- wenn sie zuvor der Verkäuferin Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben habe.
Was ist beim Online-Kauf der Erfüllungsort für Nachbesserung?
Ein wirksames Nachbesserungsverlangen liege aber nicht vor, denn nach ständiger Rechtsprechung habe die Nachbesserung am Erfüllungsort der Nacherfüllung zu erfolgen. Dies sei nach § 269 Abs. 1 BGB der Sitz des Schuldners, in diesem Fall der Sitz der Autoverkäuferin in Berlin. Eine Vorfinanzierung für den Ersatz der Transportkosten sehe das Gesetz nicht vor.
Verkäufer muss Gelegenheit zur Überprüfung der Mängelrüge haben
Der BGH sah das ganz anders. Der Senat stellte zunächst fest, dass ein taugliches Nacherfüllungsverlangen die Bereitschaft des Käufers umfassen muss, dem Verkäufer die Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen. Eine solche Nachprüfung ermögliche es dem Verkäufer, die Berechtigung der Mängelrüge des Käufers zu überprüfen.
- Die Einräumung der Gelegenheit zur Untersuchung des Fahrzeuges sei daher grundsätzlich die Voraussetzung der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen.
- Der BGH bestätigte auch die Auffassung der Vorinstanzen, dass sich der Erfüllungsort für die Nacherfüllung gemäß § 269 Abs. 1 BGB grundsätzlich am Geschäftssitz der Verkäuferin befinde.
Prinzip der Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung für den Käufer
Der Senat wies aber auch darauf hin, dass
- der Verkäufer gemäß § 439 Abs. 2 BGB sämtliche zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Kosten, also auch die Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen habe.
- Diese Kostentragungsregelung des § 439 BGB habe Anspruchscharakter.
- Sinn der Vorschrift sei es, die Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung zu gewährleisten.
BGH bejaht Anspruch auf Transportkostenvorschuss
Aus diesen Grundsätzen leitet der BGH einen Anspruch der Käuferin auf Zahlung eines Vorschusses zur Abdeckung dieser Kostenpunkte ab. Dies folge aus dem Schutzzweck der Norm, die das Prinzip der Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung für den Käufer postuliere. Die dem Verkäufer hierdurch auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes unentgeltlich zu bewirken, solle den Schutz des Verbrauchers vor unerwarteten finanziellen Belastungen gewährleisten.
- Andernfalls würde der Käufer in unangemessener Weise davon abgehalten, Gewährleistungsansprüche überhaupt geltend zu machen.
- Müsse der Käufer mit erheblichen Transportkosten in Vorlage treten, so impliziere dies ein praktisches Hindernis für eine effektive Durchsetzung seiner Gewährleistungsansprüche.
Das Nacherfüllungsverlangen war wirksam erklärt
Im Ergebnis gelangte der BGH zu der Auffassung dass die Kfz-Käuferin mit Anforderung des Transportkostenvorschusses ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Nacherfüllungsverlangen gestellt hatte. Gemäß § 281 BGB könne Sie daher Schadenersatz verlangen, weil sie erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt habe. Da das LG noch keine hinreichenden Feststellungen zu den behaupteten Mängeln und der Höhe des von der Käuferin geltend gemachten Schadens getroffen hatte, hat der Senat unter Aufhebung des Berufungsurteils den Rechtstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
(BGH, Urteil v. 19.07.2017, VIII ZR 278/16).
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Hintergrund:
Es ist zwischen zwei Erfüllungsorten zu unterscheiden,
- dem Erfüllungsort der Hauptleistungspflicht
- und dem Erfüllungsort der Nacherfüllung.
Für ein späteres Schadensersatzverlangen oder für die Erklärung der Minderung oder des Rücktritts ist nicht nur erforderlich, eine angemessene Nachfrist zu setzen. Entscheidend ist auch,
- dass der Käufer die Nacherfüllung am richtigen Ort verlangt hat
- und dem Verkäufer die Gelegenheit zur Untersuchung der mangelhaften Ware gegeben hat.
- Andernfalls kann der Käufer keine weiteren Gewährleistungsrechte geltend machen.
Diese Rechtsfolge droht nicht nur bei einem Kauf eines Verbrauchers, sondern gleichermaßen auch bei einem Kaufvertrag zweier Unternehmer.
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