Eignung der Unternehmenswertbestimmung mittels Net-Asset-Value-Verfahren
Hintergrund
Anlässe für eine Bestimmung des Unternehmenswerts können sich sowohl aus vertraglichen Bestimmungen (etwa im Rahmen von Satzungsbestimmungen über die Entziehung von Geschäftsanteilen) als auch aus gesetzlichen Vorschriften ergeben. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Unternehmensbewertung nicht nur in bestimmten bilanzrechtlichen Konstellationen, sondern etwa auch beim Ausschluss von Minderheitsaktionären nach den Vorschriften über den so genannten aktienrechtlichen Squeeze-out gemäß §§ 327a ff. AktG. Hier ordnet das Gesetz an, dass den Minderheitsaktionären, die auf Verlangen des Hauptaktionärs ihre Aktien auf diesen zu übertragen haben, eine „angemessene Barabfindung“ zu gewähren ist. Die Angemessenheit der vom Hauptaktionär zunächst einseitig festgesetzten Barabfindung ist im Streitfall im Rahmen eines gerichtlichen Spruchverfahrens zu überprüfen (siehe § 327f AktG, § 1 Nr. 3 SpruchG). Prozessualer Rahmen des vorliegenden Beschlusses war eine Beschwerde nach § 12 SpruchG gegen die gerichtliche Entscheidung über die Angemessenheit der Barabfindung.
Gegenstand des vorliegend vom OLG Karlsruhe entschiedenen Falls war ein solcher Squeeze-Out bei einer Aktiengesellschaft. Diese hatte ihr eigenes operatives Geschäft bereits seit einiger Zeit aufgegeben und verwaltete nur noch ihr eigenes Vermögen. Dieses Vermögen bestand zum überwiegenden Anteil aus Immobilienvermögen.
Die Hauptaktionärin hatte die Barabfindung für die Minderheitsaktionäre auf Basis einer Unternehmensbewertung nach der so genannten Net-Asset-Value-Methode (kurz: NAV-Methode) bestimmt. Dabei wird der „Nettoinventarwert“ ermittelt, indem Vermögen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft – jeweils nach Zeitwerten und unter Berücksichtigung des Barwerts der Verwaltungskosten – einander gegenüberstellt werden. Der Gesetzgeber hat dieses Verfahren in § 168 Abs. 1 S. 2 KAGB als geeignete Methode zur Bestimmung des Wertes eines offenen Publikumsinvestmentvermögens anerkannt.
Die Minderheitsgesellschafter hatten zunächst vorgetragen, dass statt der NAV-Methode ein Ertragswertverfahren vorzugswürdig sei. Darüber hinaus hatten sie auch zahlreiche konkrete Einwendungen gegen einzelne Wertbestimmungen im Rahmen des NAV-Verfahrens erhoben.
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 25.05.2020 (Az. 12 W 17/19)
Das OLG Karlsruhe entschied, dass das Net-Asset-Value-Verfahren eine grundsätzlich geeignete Methode zur Ermittlung des Unternehmenswerts einer vermögensverwaltenden Gesellschaft (und damit zur Errechnung der „angemessenen Barabfindung“) ist. Maßstab für die Beurteilung der Frage der „Angemessenheit“ der Barabfindung sei nach der Rechtsprechung die Gewährung einer vollen Entschädigung in Höhe dessen, was die in Rede stehende gesellschaftliche Beteiligung am „arbeitenden Unternehmen“ wert ist. Mangels Börsenwert einer solchen Beteiligung sei dies der jeweilige quotale Anteil am Unternehmenswert. Dieser Unternehmenswert könne, so das Gericht, jedenfalls bei einer vermögensverwaltenden Gesellschaft ohne operatives Geschäft nach der NAV-Methode bestimmt werden.
Praxishinweis: Sorgfältige Auswahl der Bewertungsmethode
In der Betriebswirtschaft gilt als anerkannt, dass es keinen „objektiven Unternehmenswert“ gibt, sondern die Bewertung vielmehr vom Bewertungszweck bestimmt wird und ihre Angemessenheit mithin vor dem Hintergrund des konkreten Bewertungsanlasses zu beurteilen ist.
Gerade für Gesellschaften, die eigenes Vermögen, insbesondere Immobilienvermögen verwalten, hat sich die Nettoinventarwertmethode in der Praxis tatsächlich als geeignet bewährt. Man darf hierbei nicht vergessen, dass das Kernelement auf der Aktivseite der Bilanz die Bestimmung des Werts der Immobilien ist, die letztlich wiederum über ein (mehr oder weniger stark vereinfachtes) Ertragswertverfahren erfolgt. Würde man demgegenüber eine volle Ertragswertbetrachtung des Gesamtunternehmens anstellen, so wären etwaige darüber hinaus zu berücksichtigende Veräußerungsgewinne naturgemäß schwer abzuschätzen.
Bedenken begegnet die NAV-Methode freilich dann, wenn bei der einfachen Addition der Werte positive „Verbundeffekte“ der von der Gesellschaft gehaltenen Vermögenswerte unberücksichtigt bleiben. Auch wenn solche Synergien im vorliegenden Fall nicht vorlagen, sind diese grundsätzlich auch bei vermögensverwaltenden Gesellschaften denkbar. Die einfache Schlussfolgerung, dass eine Wertbestimmung bei vermögensverwaltenden Gesellschaften stets über die Nettoinventarmethode zu erfolgen hat, verbietet sich deshalb. Manchmal ist eben auch hier das Ganze mehr wert als die Summe seiner Teile. Die Auswahl eines im ganz konkreten Fall passenden Bewertungsverfahrens ist also von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
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