Squeeze-Out bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrags

Die bei einem Squeeze-Out den Minderheitsaktionären zu gewährende angemessene Barabfindung errechnet sich auch bei beherrschten Unternehmen aus dem Ertragswert des Unternehmens. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dieser höher ist als der Barwert der aufgrund des Unternehmensvertrags dem Minderheitsaktionär zustehenden Ausgleichszahlungen.

Hintergrund

Die Beteiligten stritten im Rahmen eines Spruchverfahrens vor dem OLG Frankfurt über die angemessene Höhe der Barabfindung für die nach einem Squeeze-Out gemäß §§ 327a ff. AktG ausgeschiedenen Minderheitsaktionäre der Nestlé Deutschland AG. Grundlage der Barabfindung ist grundsätzlich der anhand der Ertragswertmethode zu bestimmende anteilige Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Squeeze-Out-Beschlusses. Ist der so ermittelte Wert niedriger als der gewichtete Dreimonats-Durchschnitt des Aktienkurses vor Bekanntgabe des Squeeze-Outs, gilt Letzterer. Zwischen der Gesellschaft und ihrem Hauptaktionär bestand jedoch ein Gewinnabführungsvertrag. In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, wonach sich bei einem bestehenden und voraussichtlich auch fortbestehenden (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrag die zu gewährende Abfindung bestimmt. Nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte München und Düsseldorf ist auch dann für die Abfindung der mit der Ertragswertmethode zu berechnende Unternehmenswert entscheidend, während das OLG Frankfurt allein auf den Barwert der im Gewinnabführungsvertrag vorgesehenen Ausgleichszahlung abstellt. Nach dem OLG Stuttgart bildet die kapitalisierte Ausgleichszahlung nur die Untergrenze für die zu gewährende Abfindung. Da das OLG Frankfurt eine Rechtsfrage damit anders beurteilte als andere Oberlandesgerichte zuvor, legte es diese Frage zur Vermeidung uneinheitlicher Rechtsprechung dem BGH vor (sog. Divergenzvorlage).

BGH, Beschluss v. 12.1.2016,  II ZB 25/14

Anders als das OLG Frankfurt setzte der BGH die Barabfindung auf der Grundlage des den Barwert der Ausgleichszahlung übersteigenden Ertragswerts fest. Für die Angemessenheit der Barabfindung im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären nach §§ 327a , b AktG sei bei Vorliegen eines (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrags der auf den Anteil des Minderheitsaktionärs entfallende Anteil des Unternehmenswerts jedenfalls dann maßgeblich, wenn dieser höher ist als der Barwert der aufgrund des (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrags dem Minderheitsaktionär zustehenden Ausgleichszahlungen.

Ein Minderheitsaktionär, der seine mitgliedschaftliche Stellung verliere, müsse nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Verlust seiner Rechtsposition und die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden. Dabei müsse die Abfindung den „wahren“ Wert der Beteiligung widerspiegeln. Der Wert des Anteils des Minderheitsaktionärs habe sich aber durch den Unternehmensvertrag nicht vollständig vom Unternehmenswert abgekoppelt. Die Ausgleichszahlung stelle bei einem Unternehmensvertrag nur einen vorübergehenden pauschalierten Ersatz für die Dividende dar. Es sei aber nicht auszuschließen, dass sich die Verhältnisse in der Zukunft ändern und der Aktionär nach Vertragsbeendigung wieder an den Erträgen der Gesellschaft beteiligt werde. Die damit verbundene Chance auf Beteiligung an einer Werterhöhung werde dem Aktionär durch den Ausschluss aus der Gesellschaft genommen. Auch der Verlust der Mitgliedschaftsrechte wie das Teilnahmerecht an der Hauptversammlung, das Auskunftsrecht sowie das Recht zur Beschlussanfechtung seien bei der Ermittlung des Beteiligungswerts zu berücksichtigen.

Ob der Barwert der Ausgleichszahlungen neben dem Börsenkurs eine zweite Untergrenze für die angemessene Abfindung bildet, konnte der BGH hingegen offenlassen. Davon sei allerdings dann auszugehen, wenn der Barwert der Ausgleichszahlung dem Verkehrswert der Beteiligung entspreche, weil die Abfindung aus verfassungsrechtlichen Gründen den Verkehrswert nicht unterschreiten dürfe.

Hinweis

Der BGH hat mit seiner Entscheidung Rechtssicherheit bei der Unternehmensbewertung im Spruchverfahren geschaffen. Für abfindungspflichtige Unternehmen bedeutet dies allerdings, dass trotz des Unternehmensvertrags für den Squeeze-Out eine weitere Unternehmensbewertung nach dem Ertragswertverfahren durchgeführt werden muss, weil Minderheitsaktionäre bei bestehenden (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsverträgen im Rahmen der Barabfindung von zwischenzeitlichen Werterhöhungen profitieren.

Bereits mit Beschluss vom 29.9.2015 (II ZB 23/14) hat der BGH eine Grundsatzentscheidung zur Anwendung des IDW Standards „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ (IDW S1) im Spruchverfahren getroffen. Das OLG Düsseldorf hatte dem BGH die in der OLG-Rechtsprechung bis dahin streitige Frage vorgelegt, ob eine neue Methode zur Ermittlung des Unternehmenswerts (hier: IDW S1 2005) rückwirkend angewendet werden darf, wenn sie präziser ist als die zum Bewertungsstichtag gängige Methode (hier: IDW S1 2000). Der BGH entschied, dass im Sinne einer angemessenen Bewertung die neuere Bewertungstechnik angewendet werden sollte, selbst wenn diese zum Bewertungsstichtag noch nicht zur Verfügung stand. Weder der Gedanke der Rechtssicherheit noch der Vertrauensschutz stünden dem entgegen. Auch das Stichtagsprinzip werde nicht verletzt, solange die neue Berechnungsweise nicht eine Reaktion auf nach dem Stichtag eingetretene und zuvor nicht angelegte wirtschaftliche oder rechtliche Veränderungen, insbesondere in steuerlicher Hinsicht sei.

Rechtsanwälte Dr. Albert Schröder, Stephanie von Riegen, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg


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