Erwerbsminderungsrente oft vor Rente mit 63

Die Rente mit 63 ist für viele oft kaum erreichbar, denn der Stress bei der Arbeit macht immer mehr Menschen krank. Für sie stellt sich die Frage des Rentenbeginns mit 67, 65 oder 63 gar nicht erst. Die Arbeitgeber verlangen mehr Therapieplätze.

Jedes Jahr halten Hunderttausende gar nicht bis zum Renteneinstiegsalter durch - psychische Erkrankungen, etwa Depressionen, sind Hauptursachen, die Zahlen steigen. Die Gewerkschaften sehen deshalb immer dringender die Bundesregierung gefordert, den Arbeitsschutz gegen Überlastung im Job zu erhöhen. Die Arbeitgeber kritisieren vor allem, die Betroffenen würden zu langsam und zu wenig behandelt.


Immer mehr Menschen beziehen Erwerbsminderungsrente

Laut Deutscher Rentenversicherung Bund wechselten im vergangenen Jahr 66 441 Arbeitnehmer wegen psychischer Erkrankungen in die Erwerbsminderungsrente - 732 mehr als im Vorjahr und 19 351 mehr als 2005. «Die besondere Dramatik liegt im Durchschnittsalter der Betroffenen», sagt Susanne Weinbrenner, bei der Rentenversicherung für Sozialmedizin zuständig.

Erwerbsminderungsrente oft schon ab 49

Das durchschnittliche Alter beim Beginn der Erwerbsminderungsrente wegen psychischer Leiden liegt bei rund 49 Jahren. Bei den weniger zahlreichen Frührenten wegen Knochen-Muskel-Problemen, Krebs oder Herz-Kreislauf-Krankheiten sind die Betroffenen zum Rentenbeginn im Schnitt dagegen bereits 53 bis 56 Jahre alt.

Gründe für den Bezug der Erwerbsminderungsrente

«Die Ursachen sind vielfältig», sagt Ingo Nürnberger, Sozialpolitik-Experte des Deutschen Gewerkschaftsbundes. «Doch die Gestaltung der Arbeitszeit, der konkreten Arbeitsbedingungen und das Führungsverhalten in Unternehmen sind zentral.» Die Industrie schraube die Anforderungen vielfach hoch. «Oft herrschen große Arbeitsverdichtung und schnelle Taktzeiten.» Das gelte auch für den Dienstleistungsbereich, wo zusätzlich Schichtarbeit und unregelmäßige Arbeitszeiten zugenommen hätten - und zwar stark, wie Nürnberger betont.

Erwerbsminderungsrentner sind armutsgefährdet

Insgesamt sank die Zahl der neu gewährten Erwerbsminderungsrenten von 201 000 im Jahr 2001 zunächst auf 160 000 Fälle 2006. Seit 2007 nehmen die Neuzugänge wieder zu, zuletzt waren es rund 180 000 Fälle. Ein Grund: Die geburtenstarke Generation der «Baby-Boomer» wächst in die Altersgruppe zwischen 50 und 60 - für frühe Arbeitsunfähigkeit typisch. Das bringt soziale Probleme: Gut ein Drittel der Erwerbsminderungsrentner und ihrer Angehörigen gilt als armutsgefährdet.

Anti-Stress-Verordnung zur Vermeidung von Erwerbsminderung

«Das Thema Arbeitsschutz bekommt eine ganz neue Bedeutung», sagt DGB-Experte Nürnberger. Die Bundesregierung müsse nun schleunigst das Arbeitsschutzgesetz durch eine Anti-Stress-Verordnung präzisieren. Über entsprechend schärfere Vorgaben gab es bisher zwischen Union und SPD wenig Einvernehmen. «Die Betriebe müssen zudem stärker kontrolliert und besser beraten werden.» Die SPD fordert ein Anti-Stress-Gesetz.

Psychotherapieplätze zur Vermeidung der Erwerbsminderung

Viele Betroffene seien auf sich allein gestellt, wenn sie Hilfe suchten, so Breutmann. «Es ist nicht hinnehmbar, dass Betroffene auf der Suche nach einer Therapie dauernd auf irgendwelche Anrufbeantworter sprechen.» Auch die Arbeitsbedingungen könnten Ursache sein - doch vor allem müsse die Versorgung verbessert, müssten Psychotherapieplätze vermehrt werden. Auch der DGB tritt für eine bessere und schnellere Versorgung Betroffener ein.

dpa

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