Hartz-IV-Pläne: Zwangsverrentung und Ein-Euro-Jobs

Hartz IV-Bezieher mit geringen Jobaussichten sollen länger in Ein-Euro-Jobs und leichter in Frührente geschickt werden können. Das sieht ein geplanter Änderungsantrag für ein derzeit im Bundestag beratenes Gesetz zu Hartz IV-Rechtsvereinfachungen vor.

Opposition und Gewerkschaften üben scharfe Kritik. «Die sogenannte Rechtsvereinfachung entpuppt sich immer mehr als Repressionsverschärfung», sagt Linke-Chefin Katja Kipping. Eine Übersicht über die Pläne:

Zwangsverrentung

Nach Schätzungen werden jährlich tausende Hartz IV-Empfänger aufgefordert, vorzeitig mit 63 in Rente zu gehen, obwohl sie dabei Abschläge hinnehmen müssen. Kommen die Menschen der Aufforderung nicht nach, können Jobcenter die Anträge dafür stellen. Nötige Unterlagen würden die Betroffenen aber oft nicht vorlegen, heißt es in der Begründung des neuen Vorstoßes. Deshalb sollen die Jobcenter in solchen Fällen künftig Hartz IV-Leistungen versagen, bis die Betroffenen ihren Mitwirkungspflichten nachkommen.

Die Linken, die Grünen und der DGB kritisierten die Pläne. Die Bundesregierung wolle das Arbeiten übers Rentenalter hinaus attraktiver machen - und verschärfe gleichzeitig die Praxis der Jobcenter, ältere Arbeitslose aufs Abstellgleis zu schicken, sagte der Linken-Rentenexperte Matthias W. Birkwald. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer warf Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) ein falsches Spiel mit älteren Arbeitslosen vor. Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte die Abschaffung der Zwangsverrentung.

Ein-Euro-Jobs

Dauerbezieher von Hartz IV könnten bald weit länger als bisher Ein-Euro-Jobs verrichten. Derzeit dürfen Betroffene binnen 5 Jahren nicht länger als insgesamt 24 Monate Ein-Euro-Jobs ausüben. Künftig sollen solchen Arbeitsgelegenheiten immer wieder verlängert werden können, wenn die Betroffene innerhalb der letzten 10  Jahre insgesamt 9 Jahre die Grundsicherung für Arbeitsuchende bekommen haben. Denn den Betroffenen sei es «auch bei guter Konjunktur kaum möglich, vom Aufbau der Beschäftigung zu profitieren und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen».

Die Grünen-Expertin Pothmer kritisierte: «Solche Menschen in Ein-Euro-Jobs zu schieben, ist ein großer arbeitsmarktpolitischer Fehler.» Ein-Euro-Jobs seien Sackgassen. Insgesamt hätten bis zu 400.000 der gut eine Million Langzeitarbeitslosen nur geringe Chancen, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Die Zahl der geförderten Jobs für Langzeitarbeitslose sank in den vergangenen 2 Jahren von knapp 140.000 auf unter 90 000, zumeist Ein-Euro-Jobs.

Kinder: Nur ein Elternteil hilfebedürftig

Bei Hartz IV für Kinder getrennt lebender Eltern, bei denen nur ein Elternteil hilfebedürftig ist, sollen nur jene Tage berücksichtigt werden, an denen sich das Kind auch beim Elternteil mit Hartz IV aufhält. Linke-Chefin Kipping kritisierte: «Rechtsvereinfachung nennt es die große Koalition, wenn Müttern mit Hartz IV der Lebensunterhalt für ihre Kinder gekürzt wird, weil das Kind ein paar Tage beim umgangsberechtigten Vater ist, der kein Hartz IV bezieht.»

Das Bundeskabinett gab den Vorschlägen des Sozialministeriums Anfang des Monats unbemerkt von der Öffentlichkeit grünes Licht. Die Fraktionen von Union und SPD wollen darüber noch beraten.

dpa

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