Gießkannenprinzip Mütterrente: Was ist gerecht?


2
Gießkannenprinzip Mütterrente: Was ist gerecht?

Die Ausweitung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder bringt für viele Eltern eine deutliche Rentenverbesserung. Schafft die kostenträchtige Maßnahme mit weitgehender Finanzierung durch die Beitragszahler aber auch tatsächlich mehr Gerechtigkeit?

Gerechtigkeitslücke wird nicht geschlossen!

Durch die Mütterrente erhöht sich die Rente für Mütter oder Väter, die vor dem Jahr 1992 geborene Kinder erzogen haben, in der Regel um einen Entgeltpunkt.

Zukünftig wird ein 2. Jahr der Kindererziehung angerechnet. Dies entspricht nach den ab 1.7.2014 geltenden aktuellen Rentenwerten im Westen 28,61 EUR und im Osten 26,39 EUR. Es bleibt aber dabei, dass Eltern mit ab dem Jahr 1992 geborenen Kindern insgesamt 3 Jahre Kindererziehungszeit, d. h. 3 Entgeltpunkte angerechnet bekommen. Die Bundesregierung begründet dies damit, dass 2 zusätzliche Entgeltpunkte nicht finanzierbar sind. Sofern man in solchen Stichtagsregelungen überhaupt eine Gerechtigkeitslücke sehen möchte, wird diese Lücke also allenfalls verringert.

Lücken auch bei Riesterrente

Zudem sollte in diesem Zusammenhang auch Folgendes bedacht werden: Die Alterssicherung besteht seit geraumer Zeit aus mehreren Säulen. Will man im Hinblick auf Kindererziehung "Gerechtigkeitslücken" schließen, so müsste dieser Gedanke konsequent auch auf die anderen Säulen der Alterssicherung übertragen werden. Es wäre dann auch eine Gerechtigkeitslücke, dass Mütter und Väter mit vor dem Jahr 2008 geborenen Kindern nur 185 EUR Zulage bei der Riesterrente erhalten, während für ab 2008 geborene Kinder 300 EUR jährliche Zulage gewährt werden.

West bekommt mehr als Ost

Vor allem in der Politik wird immer wieder angemerkt, es sei ungerecht, dass Frauen im Westen mehr Rentenzahlung für die Kindererziehung bekommen als Frauen im Osten.

Bei dieser Argumentation wird allerdings Folgendes übersehen: Mit der Überleitung des lohn- und beitragsbezogenen Rentenrechts wurde für die ostdeutschen Bundesländer entschieden, dass die Entwicklung der Renten wie im Westen der Entwicklung der Löhne folgen soll. Da die ostdeutschen Löhne im Durchschnitt noch immer geringer sind als im Westen, sind auch die Entgeltpunkte für die Rentenberechnung noch geringer. Dies gilt für alle Beitragszeiten und dementsprechend auch für die Bewertung von Kindererziehungszeiten. Die Angleichung des aktuellen Rentenwerts Ost soll nach dem Koalitionsvertrag mit dem Auslaufen des Solidarpaktes erfolgen.

Falsche Finanzierung

Die erheblichen Kosten der Mütterrente müssten aus Steuermitteln und nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden. Denn es handelt sich bei der Honorierung der Erziehungsleistung um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Nur wenn diese Leistungen aus Steuermitteln finanziert werden, kann erreicht werden, dass nicht nur die Beitragszahler der gesetzlichen Rentenversicherung herangezogen werden, sondern alle Steuerpflichtigen. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass Kindererziehungszeiten z. B. auch Menschen zugutekommen können, die in berufsständischen Versorgungswerken versichert oder selbstständig tätig sind. Dies wird aber allein von den Beitragszahlern der gesetzlichen Rentenversicherung finanziert.

Mütterrente kommt nicht bei allen in gleichem Maße an!

Festzustellen ist, dass ärmere Mütter in der Regel nicht von der Leistungsverbesserung profitieren. Die Mütterrente wird nämlich auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angerechnet. Dies ist vor dem Hintergrund der Systematik des geltenden Sozialrechts nicht zu beanstanden. Denn Leistungen der Sozialhilfe sind gegenüber denjenigen aus der gesetzlichen Rentenversicherung generell nachrangig.

Sozialpolitisch kann allerdings ein Fragezeichen gesetzt werden, ob es gerechtfertigt ist, dass eine "Hausfrau", die zum Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes die Erwerbstätigkeit eingestellt hat und im Alter eine andere Einkommenssituation im Haushaltskontext hat, von dieser Leistung in vollem Umfang profitiert.

Hoher Verdienst im 2. Jahr nach der Geburt

Für Mütter, die ab 1.7.2014 neu in Rente gehen, ist Folgendes zu beachten: Mütter, die bereits im 2. Jahr nach der Geburt des Kindes wieder arbeiten gegangen sind und dabei überdurchschnittlich verdient haben, bekommen im Ergebnis weniger Entgeltpunkte für die Kindererziehungszeit gutgeschrieben. Grund hierfür ist die Beitragsbemessungsgrenze (BBG). Sind zeitgleich neben der Kindererziehung Entgeltpunkte durch eine Beschäftigung erzielt worden, erfolgt insgesamt eine Begrenzung auf die sich aus der Anlage 2b zum SGB VI ergebenden Höchstwerte an Entgeltpunkten, die im jeweiligen Kalenderjahr höchstens erreicht werden können. D. h., es werden die Entgeltpunkte aus der Beschäftigung zunächst in voller Höhe (bis maximal zur BBG) berücksichtigt. Die Entgeltpunkte für die Kindererziehungszeit werden dann auf die Differenz zwischen den Entgeltpunkten aus der Beschäftigung und dem Höchstwert der Anlage 2b zum SGB VI begrenzt. Eine solche "Reduzierung" der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten erfolgt demgegenüber nicht bei Frauen, die

  • erst später oder gar nicht mehr wieder ins Erwerbsleben eingetreten sind oder
  • bereits eine Altersrente erhalten (Rentenbestand).

Auch dieses Ergebnis ist systemgerecht, jedoch sozialpolitisch fragwürdig. Denn eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und ein baldiger Wiedereinstieg in das Erwerbsleben sind sowohl aus gesamtwirtschaftlicher als auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht unbedingt wünschenswert.