Stationäre Rehabilitation auch bei Demenzerkrankten möglich
Die Versicherte leidet seit 2013 an Alzheimer. Ihre behandelnden Fachärzte für Neurologie befürworteten und beantragten 2016 eine stationäre Reha-Maßnahme in einem speziell auf Alzheimer-Patienten ausgerichteten Therapiezentrum. Die Ärzte führten aus, es liege derzeit eine leichte bis mittelschwere Demenz vom Alzheimer-Typ vor.
Demenz: Rehabilitationsziele und Rehabilitationsfähigkeit
Mit der stationären Behandlung könne der Krankheitsverlauf voraussichtlich günstig beeinflusst werden. Als Rehabilitationsziele wurden genannt: körperliche und geistige Aktivierung, Hilfe zur teilweisen Selbsthilfe. Die Rehabilitationsfähigkeit wurde in allen Punkten bejaht (ausreichende physische und psychische Belastbarkeit; erforderliche Mobilität, ausreichende Motivation, Motivierbarkeit).
MDK notierte fehlende Reha-Fähigkeit
Der von der Krankenkasse eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) notierte jedoch lediglich stichwortartig, es bestehe keine Reha-Fähigkeit und keine positive Reha-Prognose, ohne auf das Krankheitsbild der Versicherten und die von den Ärzten genannten Ziele einzugehen.
Krankenkasse lehnt Kostenübernahme ab
Die Krankenkasse lehnte die Gewährung der Reha-Maßnahme ab. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht Mannheim sind erfolglos geblieben. Die Versicherte hat sich darauf die Reha-Maßnahme selbst beschafft und in Begleitung ihres Ehemannes einen vierwöchigen Aufenthalt im Alzheimer-Therapiezentrum durchgeführt. Abzüglich des Selbstbehalts sind dabei Kosten in Höhe von rund 5.600 Euro entstanden, die die Versicherte nunmehr im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht von der Krankenkasse verlangt hat. Sie hat die Auffassung vertreten, die Ablehnung sei spekulativ und nicht ausreichend begründet.
Unzureichende MDK Stellungsnahme: Krankenkasse muss zahlen
Die Berufung der Klägerin ist in allen Punkten erfolgreich gewesen. Das Landessozialgericht hat die Krankenkasse zur Übernahme der Kosten verurteilt. Die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse ist rechtswidrig gewesen, weil sie die individuellen Verhältnisse, Art und Schwere der Erkrankung und die für die Versicherte möglichen und wichtigen Behandlungsziele nicht ausreichend geprüft und gewürdigt hat, sondern sich nur auf die unzureichende, spekulativ anmutende, ablehnende Stellungnahme des MDK gestützt hat.
Reha-Voraussetzungen lagen vor
Der Anspruch auf Rehabilitation setzt Behandlungsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose voraus. Alle drei Voraussetzungen haben vorgelegen, wie sich nicht nur aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte ergibt, sondern auch aus dem Entlassungsbericht der Reha-Einrichtung ergibt. Die Versicherte hat sich an allen Therapieangeboten beteiligen können, sie ist im Kontakt mit anderen Familien kommunikativer und vertrauter geworden. Bereits nach kurzer Zeit ist sie erfolgreich in das Therapieprogramm integriert worden. Sie hat in den Bereichen Motorik und Ausdauer Fortschritte gemacht und konnte zuletzt wieder über 3000 Meter mit Rollator gehen. Die nonverbalen Therapieeinheiten (Bewegungstherapie, z.B. Ballspiele, Bewegung nach Musik), musikorientierte Gruppen (z.B. Singen) sowie alltagsorientierte Therapie (tiergestützte Therapie, Spiele) haben einen antriebs- und stimmungssteigernden Effekt erzielt.
Begleitung des Ehemannes notwendig
Sogar die kommunikativen Fähigkeiten sind gestärkt worden, was vor allem im Rahmen der Erinnerungstherapie deutlich geworden ist. Wegen der umfangreichen Behandlungen war eine stationäre Behandlung erforderlich, ambulante Maßnahmen hätten nicht ausgereicht. Auch die Begleitung des Ehemannes ist notwendig gewesen. Die Krankenkasse muss der Versicherten daher – abzüglich des Selbstbehalts – die Restkosten in Höhe von rund 5.600 Euro erstatten.
Hinweis: LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.7.2018, L 11 KR 1154/18
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