Zusammenfassung
Bei der Amtsvormundschaft übt das Jugendamt die gesamte elterliche Sorge für einen Minderjährigen (Mündel) aus. Die Eltern können ihr Sorgerecht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht wahrnehmen. Dabei wird kein einzelner Mitarbeiter des Jugendamts als Vormund bestellt, sondern das Jugendamt ist Amtsvormund. Der Amtsvormund übernimmt die Aufgaben der Eltern, d. h. die Personen- und Vermögenssorge und damit die gesetzliche Vertretung des Mündels.
Sozialversicherung: Mit dem "Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht" vom 4.5.2021 (BGBl. I S. 882) mit Wirkung zum 1.1.2023 wurde das Vormundschaftsrecht umfassend reformiert, u. a. mit dem Ziel der Stärkung der Personensorge für Minderjährige und Modernisierung der Vorschriften zur Vermögenssorge. Das Jugendamt wird in den vom BGB genannten Fällen nach § 55 SGB VIII tätig und überträgt die Aufgabe der Amtsvormundschaft auf einen seiner Beamten oder Mitarbeiter. Die §§ 55 ff. SGB VIII verweisen auf die Vorschriften des BGB (vgl. §§ 1773 ff. BGB, insbesondere § 1774 Abs. 1 Nr. 4, §§ 1786 f. BGB), soweit in dem SGB VIII nicht andere Bestimmungen vorgehen. § 55 Abs. 1 SGB VIII erweitert die bisherige Fassung auf die neu eingeführten Rechtsinstitute der vorläufigen Amtspflegschaft und der vorläufigen Amtsvormundschaft.
In § 55 Abs. 2 SGB VIII wird neben der vorherigen Regelung der Übertragung der Aufgaben des Beistands, des Pflegers oder des Vormunds auf einzelne Bedienstete des Jugendamts nunmehr auch die Beachtung der Grundsätze für die Auswahl durch das Familiengericht auch für die Auswahl der Bediensteten vorgesehen. Es gelten die § 1778, § 1779 Abs. 1, § 1784 BGB. Dies gilt allerdings nicht, wenn das Jugendamt nur als vorläufiger Vormund bestellt wird.
§ 55 Abs. 4 SGB VIII beschreibt den Rahmen der Tätigkeit durch die Übertragung auf den Bediensteten als gesetzlichen Vertreter.
1 Voraussetzungen für die Vormundschaft
Das Familiengericht hat die Vormundschaft für einen Minderjährigen anzuordnen und einen Vormund zu bestellen, wenn
- es nicht unter elterlicher Sorge steht,
- seine Eltern nicht berechtigt sind, ihn in den seine Person und sein Vermögen betreffenden Angelegenheiten zu vertreten oder
- sein Familienstand nicht zu ermitteln ist.
2 Gesetzliche Amtsvormundschaft
Bei der gesetzlichen Amtsvormundschaft ist eine Entscheidung des Gerichts nicht notwendig. Die gesetzliche Vormundschaft beginnt automatisch durch Gesetz. Gesetzlicher Vormund ist das Jugendamt. Das BGB sieht eine Amtsvormundschaft vor
bei Fehlen eines sorgeberechtigten Elternteils;
Mit der Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind und das eines Vormunds bedarf, wird das Jugendamt Vormund, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Dies gilt allerdings nicht, wenn bereits vor der Geburt des Kindes ein Vormund bestellt ist.
- eine bestehende Vaterschaft nachträglich wegfällt (durch Vaterschaftsanfechtung) und das Kind eines Vormunds bedarf in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung rechtskräftig wird;
- bei vertraulicher Geburt.
3 Bestellte Amtsvormundschaft
Liegen die Voraussetzungen für die Vormundschaft vor, kann das Familiengericht statt eines Einzelvormunds auch das Jugendamt zum Amtsvormund bestellen. Grundsätzlich ist die Amtsvormundschaft gegenüber der Einzelvormundschaft subsidiär. In der Praxis wird jedoch häufig das Jugendamt als Amtsvormund bestellt (in ca. 80 % der Fälle).
Das Familiengericht hat bei der Auswahl des Vormunds § 1778 BGB zu beachten.
Ist die Vormundschaft nicht einem von den Eltern Benannten zu übertragen, hat das Familiengericht den Vormund auszuwählen. Bislang beziehen sich die in § 1779 Abs. 2 BGB enthaltenen Auswahlkriterien auf die Auswahl einer natürlichen Person, die zum Einzelvormund bestellt werden sollte. Die Entscheidung des Familiengerichts, das Jugendamt oder einen Vormundschaftsverein als Vormund zu bestellen, richtet sich dagegen nach dem gesetzlichen Subsidiaritätsprinzip. Sie sollen nur bestellt werden, wenn ein ehrenamtlicher Einzelvormund nicht zur Verfügung steht. Er muss allerdings gleich gut geeignet sein.
4 Aufgaben des Vormunds
Der Vormund hat neben der Personen- und Vermögenssorge die Pflicht zum persönlichen Kontakt mit dem Mündel und soll das Kind in der Regel einmal im Monat in seiner gewöhnlichen Umgebung aufsuchen.
Zudem muss der Vormund die Pflege und Erziehung des Kindes fördern und gewährleisten. Das Jugendamt kann diese Aufgaben nicht den Pflegeeltern übertragen, bei denen sich das Kind tatsächlich aufhält.