Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz bei Wettbewerbsverletzung, Verjährung
Normenkette
HGB §§ 60-61; BGB §§ 209, 222, 242, 823, 852; StGB § 266; ZPO §§ 207, 261
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. Juni 1989 – 8 Sa 17/89 – insoweit aufgehoben, als es den Beklagten verurteilt hat, Auskunft über Geschäfte zu geben, die er vor dem 1. Juni 1983 geschlossen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 1988 – 4 Ca 3665/88 – zurückgewiesen.
3. Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des beklagten Arbeitnehmers, Auskunft über den Umfang verbotener Konkurrenztätigkeit während des Arbeitsverhältnisses zu erteilen.
Der Beklagte war bei dem Kläger, der Hydraulikzubehör, Lager, Verschraubungen und andere Antriebsteile vertreibt, vom 1. Januar 1979 bis 31. Dezember 1986 in der Verkaufsleitung beschäftigt und mit Auftragsbeschaffung sowie der Werbung und Betreuung von Kunden betraut.
Während des Arbeitsverhältnisses vertrieb der Beklagte in eigenem Namen und für eigene Rechnung zum Lieferprogramm des Klägers gehörende Maschinenteile ohne dessen Kenntnis und Zustimmung.
Nachdem der Beklagte beim Kläger ausgeschieden war, erlangte der Kläger im Februar 1987 Kenntnis von einem dieser Konkurrenzgeschäfte des Beklagten. Da der Kläger weitere verbotene Wettbewerbstätigkeit des Beklagten vermutete, erstattete er Strafanzeige gegen den Beklagten wegen Geheimnisverrats (§ 17 UWG) und Untreue (§ 266 StGB). Mit Schreiben vom 17. März 1988 bezifferte der Beklagte seine Umsätze aus verbotener Konkurrenztätigkeit in der Zeit von 1980 bis 1986 auf 600.000,– bis 700.000,– DM.
Mit der am 1. Juni 1988 eingereichten Stufenklage hat der Kläger Auskunft, Versicherung an Eides Statt und Schadenersatz verlangt. Er hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger unter Angabe der Liefermengen, der Lieferzeiten und der Verkaufspreise Auskunft darüber zu erteilen, welche Verträge über Antriebsteile, insbesondere Spindellager für Werkzeugmaschinen, Wälzlager, Verschraubungen, Hydraulikzubehör und sonstige Antriebselemente er zwischen dem 1. Januar 1979 und dem 31. Dezember 1986 auf eigene Rechnung – außer 168 nach Rechnungsdatum im Antrag aufgeführten Verträgen – geschlossen hat,
- den Beklagten zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern,
- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Schadenersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat sich auf Verjährung etwaiger Schadenersatzansprüche nach § 61 Abs. 2 HGB berufen.
Das Arbeitsgericht hat die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Beklagten zur Auskunft verurteilt und den Rechtsstreit im übrigen (Stufe 2 und 3) an das Arbeitsgericht zurückverwiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet, soweit sie sich gegen eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung über Konkurrenzgeschäfte aus der Zeit vor dem 1. Juni 1983 bezieht. Insoweit greift die Einrede der Verjährung durch. Im übrigen hat die Revision keinen Erfolg.
I. Der Beklagte ist zur Auskunft über die von ihm geschlossenen unerlaubten Konkurrenzgeschäfte verpflichtet.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Anspruch des Klägers auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung sich aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 242 BGB ergibt.
Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben besteht eine Auskunftspflicht jedenfalls in solchen Rechtsbeziehungen, die es mit sich bringen, daß der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang eines Rechts im Ungewissen ist, während der Verpflichtete unschwer Auskunft erteilen kann (vgl. BGHZ 10, 385, 387; 55, 201, 203; BGH Urteil vom 19. Februar 1982 – V ZR 234/81 – AP Nr. 18 zu § 242 BGB Auskunftspflicht). Dies gilt gerade in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Auskunftsanspruch die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs vorbereiten soll.
Deshalb ist ein Arbeitnehmer zur Auskunftserteilung gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, wenn er Anlaß zu der Vermutung gegeben hat, er habe entgegen seiner Vertragspflicht Wettbewerb betrieben (vgl. BAG Urteil vom 21. Oktober 1970 – 3 AZR 479/69 – AP Nr. 13 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; BAG Urteil vom 12. Mai 1972 – 3 AZR 401/71 – AP Nr. 6 zu § 60 HGB).
2. Der Beklagte hat eine vertragswidrige Wettbewerbstätigkeit eingeräumt, ohne deren genauen Umfang darzustellen.
Nach § 60 Abs. 1 HGB durfte der Beklagte als kaufmännischer Angestellter ohne Einwilligung des Klägers während des Arbeitsverhältnisses im Handelszweig des Arbeitgebers weder ein Handelsgewerbe betreiben noch für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Wegen der Verletzung des Wettbewerbsverbots kann der Kläger nach § 61 Abs. 1 HGB Schadenersatz fordern. Der Beklagte ist zur begehrten Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet. Seine bisher erteilte Auskunft reicht nicht aus. Der Beklagte hat nur Angaben nach dem ungefähren Umfang seiner Wettbewerbstätigkeit gemacht. Der Kläger ist nicht imstande, schon aufgrund dieser Angaben seinen Schaden zu beziffern.
3. Dem Auskunftsbegehren des Klägers steht nicht entgegen, daß der Beklagte sich möglicherweise einer strafbaren Handlung bezichtigen müßte. Die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung befreit den Schuldner nicht von der Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung. Wer ein fremdes Rechtsgut verletzt, hat grundsätzlich dafür einzustehen und für die Wiedergutmachung zu sorgen.
Ist dies nicht anders möglich als durch das Eingeständnis strafbarer Handlungen, so hat der Schädiger dies auf sich zu nehmen. Jedenfalls steht es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht mit dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit im Widerspruch, wenn in einem solchen Falle die Belange des Geschädigten höher bewertet werden als die des Schädigers (BGHZ 41, 318, 327).
II. Die Auskunftspflicht besteht aber nur hinsichtlich der vom Beklagten zwischen dem 1. Juni 1983 und dem 31. Dezember 1986 geschlossenen Konkurrenzgeschäfte. Soweit der Kläger Auskunft für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis 31. Mai 1983 verlangt, greift die Einrede der Verjährung durch (§ 222 BGB).
1. Da der Auskunftsanspruch nur der Verwirklichung des Schadenersatzanspruchs des Klägers dient, kann er nicht weiter als dieser gehen. Der Schadenersatzanspruch wegen eventueller vor dem 1. Juni 1983 abgeschlossener Geschäfte war nach § 61 Abs. 2 HGB bereits verjährt, als der Kläger am 1. Juni 1988 seine Stufenklage einreichte.
2. Der Anspruch auf Schadenersatz wegen einer Schädigung des Arbeitgebers durch Wettbewerbshandlungen verjährt in drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Arbeitgeber Kenntnis von dem verbotenen Geschäft erhält (§ 61 Abs. 2 1. Halbsatz HGB). Die kenntnisabhängige Verjährung ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Stellt man auf die Kenntnis von den einzelnen Wettbewerbsgeschäften ab, so ergibt sich dies bereits daraus, daß der Kläger keine Kenntnis von den Geschäften hat, über die er Auskunft begehrt. Sollte es hier auf die Kenntnis vom Handelsgewerbe als Wettbewerbstätigkeit ankommen (so z.B. Schlegelberger/Schröder, HGB, Bd. II, 5. Aufl., § 61 Rz 7), so hatte der Kläger erst durch das Schreiben des Beklagten vom 17. März 1988 eine solche Kenntnis. In diesem Schreiben wurde der Kläger darüber informiert, daß es sich nicht bloß um einzelne Wettbewerbsverstöße, sondern um ein konkurrierendes Handelsgewerbe des Beklagten handelte. Die am 1. Juni 1988 eingereichte und am 10. Juni 1988 zugestellte Klage hat insoweit die Verjährung rechtzeitig unterbrochen (§ 209 BGB, § 261 Abs. 1, § 207 Abs. 1 ZPO). Die Verjährung kann auch durch Erhebung einer Stufenklage unterbrochen werden (BAG Urteil vom 28. Januar 1986 – 3 AZR 449/84 – AP Nr. 2 zu § 61 HGB).
3. Unabhängig von der Kenntnis verjährt der Anspruch auf Schadenersatz nach § 61 Abs. 2 HGB innerhalb von fünf Jahren. Da die Klage am 1. Juni 1988 eingereicht wurde, war der Schadenersatzanspruch wegen vertragswidriger Geschäfte, die vor dem 1. Juni 1983 abgeschlossen wurden, verjährt. Insoweit besteht kein Auskunftsanspruch des Klägers. Der gegenteiligen Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht folgen.
a) Das Landesarbeitsgericht wendet die Verjährungsvorschrift des § 852 BGB an. Danach verjährt ein Schadenersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Person des Ersatzpflichtigen; ohne Rücksicht auf diese Kenntnis verjährt der Anspruch in 30 Jahren von der Begehung der Handlung an. § 852 BGB ist hier jedoch nicht anwendbar. Die Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB gilt nämlich für alle Ersatzansprüche des Arbeitgebers, die dieser aus Wettbewerbsverstößen im Sinne des § 60 HGB herleitet, auch wenn sie auf unerlaubte Handlungen gestützt werden (BAG Urteil vom 28. Januar 1986 – 3 AZR 449/84 AP Nr. 2 zu § 61 HGB).
b) Ob dem Landesarbeitsgericht darin gefolgt werden kann, daß im Falle der Untreue nach § 266 StGB wegen des „deutlich überschießenden Unrechtsgehalts” die längere Verjährungsfrist nach § 852 BGB anzuwenden ist, kann offenbleiben. Der Bundesgerichtshof hat mit ähnlicher Begründung für die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 43 GmbHG die kürzere Verjährungsfrist nach § 43 Abs. 4 GmbHG gegenüber der längeren Verjährungsfrist nach § 852 BGB im Falle eines Schadenersatzanspruchs nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266 StGB zurücktreten lassen (BGH Urteil vom 17. März 1987 – VI ZR 282/85 – NJW 1987, 2008). Der Kläger hat vorliegend die Voraussetzungen einer Untreue des Beklagten nach § 266 StGB aber nicht dargelegt.
c) Stützt der Anspruchsberechtigte die Haftung auf eine unerlaubte Handlung wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes, so hat er alle Umstände darzutun und ggf. zu beweisen, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt (BGH, aaO). Soweit der Kläger seinen Auskunftsanspruch auf die Vorbereitung eines Schadenersatzanspruchs nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266 StGB stützt, muß er deshalb darlegen, daß die vermuteten Wettbewerbsgeschäfte den Tatbestand des § 266 StGB verwirklichen. Hierzu hätte der Kläger u.a. darlegen müssen, daß der Beklagte im Sinne von § 266 StGB die Pflicht hatte, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Diese besondere Treuepflicht wird durch das Arbeitsverhältnis als solches nicht begründet (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 23. Aufl., § 266 Rz 26). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann von einer Pflicht, im Sinne des § 266 StGB fremde Vermögensinteressen zu betreuen, nur dann die Rede sein, wenn es sich um eine Pflicht von Gewicht handelt, zu deren Erfüllung dem Verpfichteten ein gewisser Spielraum, eine gewisse Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit eingeräumt sind (BGHSt 3, 289, 293 f.; 4, 170, 172; Schönke/Schröder, aaO, m.w.N.). Eine solche Selbständigkeit bei der Erfüllung fremder Vermögensinteressen hat regelmäßig der selbständige Handelsvertreter (vgl. BGH Urteil vom 29. September 1982 – 2 StR 360/82 -NStZ 1983, 74). Auf einen kaufmännischen Angestellten wie den Beklagten kann dies zwar ebenfalls zutreffen. Für eine solche Annahme bedürfte es jedoch einer näheren Darlegung der besonderen vertraglichen Pflicht und der gewissen Selbständigkeit des Angestellten bei ihrer Erfüllung. Diese hat der Kläger nicht dargelegt. Er kann seinen Auskunftsanspruch daher nicht auf einen Schadenersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266 StGB stützen.
Unterschriften
Griebeling, Kremhelmer, Dr. Wittek, Dr. Hoppe, Kähler
Fundstellen