Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnfortzahlung für an Feiertag erkrankten Arbeiter
Leitsatz (redaktionell)
Fällt ein gesetzlicher Feiertag in den Krankheitszeitraum nach § 1 Abs 1 LFZG, so hat der Arbeiter für den Feiertag Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle. Die Höhe der Lohnfortzahlung für einen Feiertag, an dem im Betrieb nicht gearbeitet wurde, bemißt sich gemäß § 1 Abs 2 FeiertLohnzG nach § 1 Abs 1 S 1 FeiertLohnzG (im Anschluß an BAG Urteil vom 16.7.1980, 5 AZR 989/78 = AP Nr 35 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG).
Orientierungssatz
Auslegung der §§ 6 und 12 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich West-Berlin) vom 6.7.1984.
Normenkette
TVG § 1; LFZG §§ 1-2; BGB §§ 187-188; FeiertLohnzG § 1 Fassung 1975-12-18
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe dem Kläger für den 25. und 26. Dezember 1986 sowie für den 1. Januar 1987 ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zusteht.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Drucker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie (MTV) in der Fassung vom 6. Juli 1984 anzuwenden. Der MTV regelt die Lohnfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfalle wie folgt:
§ 6 Feiertage
1. Für gesetzliche Feiertage ist der entsprechende
Lohnausfall zu bezahlen (2).
2. Die Feiertagsbezahlung erfolgt in der Weise,
daß der Arbeitnehmer für den Tag den gleichen
Lohn ohne Zuschlag für Feiertagsarbeit und
ohne Antrittsgebühr erhält, den er verdient
haben würde, wenn er gearbeitet hätte (3) (4).
3. Arbeitnehmer, die am letzten Arbeitstag vor
oder am ersten Arbeitstag nach Feiertagen
unentschuldigt der Arbeit fernbleiben, haben
keinen Anspruch auf Bezahlung für diese
Feiertage.
4. Durch Entlassung am Tage vor Feiertagen und
Wiedereinstellung nach diesen kann die Feier-
tagsbezahlung nicht umgangen werden.
§ 12 Krankheit, Kur- und Heilverfahren
1. Die Lohnfortzahlung im Falle von Erkrankungen
und Unfällen, bei Kuren und Heilverfahren sowie
bei solchen Schonungszeiten, die mit Arbeits-
unfähigkeit verbunden sind, richtet sich nach
dem Lohnfortzahlungsgesetz in seiner jeweiligen
Fassung.
2. Als Arbeitsentgelt im Sinne der Ziffer 1 gilt
abweichend von § 2 Abs. 1 aufgrund von § 2
Abs. 3 des Lohnfortzahlungsgesetzes der Durch-
schnittsverdienst der drei abgerechneten Lohn-
abrechnungsmonate oder der 13 abgerechneten
Lohnwochen (Berechnungszeitraum), die der
Lohnwoche, in der die Arbeitsunfähigkeit
beginnt, vorausgehen. Für die Ermittlung des
Durchschnittsverdienstes gelten die Durch-
führungsbestimmungen (6) zu § 10 ohne Beispiele
1 und 2 und ohne den letzten Absatz sowie die
Durchführungsbestimmung (8) zu § 10. Zur
Ermittlung des täglichen Arbeitsentgeltes wird
der festgestellte Durchschnittsverdienst durch
65 geteilt.
3. Sowohl die Antragstellung als auch die Bescheid-
erteilung über Kur- oder Heilverfahren hat der
Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich mitzu-
teilen. Hierbei ist auch mitzuteilen, ob die
Antragstellung oder der Bescheid auf einem Unfall
beruhen, für welchen die Haftung Dritter in
Betracht kommt.
4. Unfälle im Betrieb, bei der Arbeit und auf dem
Wege von und zur Arbeitsstätte sind der Unter-
nehmensleitung vom verunglückten Arbeitnehmer
auch dann zu melden, wenn keine Arbeitsunfähig-
keit besteht.
Der Kläger war in der Zeit vom 11. Dezember 1986 bis zum 16. Januar 1987 arbeitsunfähig krank. An beiden Weihnachtstagen und am Neujahrstag wurde im Betrieb der Beklagten nicht gearbeitet. Für die genannten drei Feiertage berechnete die Beklagte den fortzuzahlenden Lohn des Klägers auf der Grundlage des § 6 MTV in Höhe von 178,55 DM täglich. Demgegenüber belief sich der gemäß § 12 Nr. 1 und Nr. 2 MTV ermittelte tägliche Krankenlohn des Klägers auf 240,85 DM. Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten Zahlung der Differenz von insgesamt 186,90 DM.
Der Kläger hat geltend gemacht, bei Zusammentreffen von Krankheit und Feiertag dürfe der fortzuzahlende Lohn nicht nach § 6 MTV als Feiertagslohn, sondern müsse nach § 12 MTV als Krankenlohn berechnet werden. Er hat daher beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 186,90 DM
brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergeben-
den Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Vorschriften über die Lohnfortzahlung an Feiertagen stellten die speziellere Regelung im Verhältnis zu denen über den Krankenlohn dar und gingen diesen daher vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Dem Kläger steht für den 25. und 26. Dezember 1986 sowie für den 1. Januar 1987 keine höhere Lohnfortzahlung zu, als die Beklagte ihm bereits gewährt hat.
I.1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LFZG behält ein Arbeiter, der nach Beginn der Beschäftigung durch Arbeitsunfähigkeit infolge unverschuldeter Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Für diesen Zeitraum ist dem Arbeiter das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 LFZG). Die Sechswochenfrist berechnet sich nach den §§ 187, 188 BGB (BAG Urteil vom 22. Februar 1973 - 5 AZR 461/72 - AP Nr. 28 zu § 1 LohnFG, zu 2 der Gründe). Fällt in die Frist ein bezahlter gesetzlicher Feiertag, so ist dieser auf die Gesamtanspruchsdauer anzurechnen (so zutreffend Kehrmann/Pelikan, Lohnfortzahlungsgesetz, 2. Aufl., § 1 Rz 61 a. E.). Ein Lohnfortzahlungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 LFZG besteht jedoch nur dann, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall und damit für den Lohnverlust ist (vgl. nur BAGE 46, 1, 3 = AP Nr. 58 zu § 1 LohnFG, zu 2 der Gründe; Kaiser/Dunkl, Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, 2. Aufl., § 1 Rz 90; Schmatz/Fischwasser/Geyer/Knorr, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl., Stand Oktober 1988, § 1 LFZG Rz 60).
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertLohnzG muß der Arbeitgeber den Arbeitnehmern für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, den Arbeitsverdienst zahlen, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Feiertagsbezahlung besteht hier ebenfalls nur dann, wenn der Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall gewesen ist (BAGE 1, 241 = AP Nr. 1 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAGE 8, 80 = AP Nr. 6 zu § 1 aaO; BAGE 13, 220, 222 f. = AP Nr. 14 zu § 1 aaO, zu II 3 a der Gründe; zuletzt BAGE 38, 255, 257 = AP Nr. 36 zu § 1 aaO, zu 2 der Gründe).
2. Liegt in der Zeit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein gesetzlicher Feiertag, dann treffen mehrere Ursachen für die Arbeitsversäumnis zusammen. Es ergibt sich eine Konkurrenz der verschiedenen zum Schutze der Arbeitnehmer ergangenen Vorschriften. Daher muß entschieden werden, welche Ursache bei einer solchen Fallgestaltung als die entscheidende angesehen werden soll. Problemstellungen dieser Art sind dem Arbeitsrecht nicht unbekannt. So löst z. B. § 1 Abs. 1 Satz 2 FeiertLohnzG die Kollision, die sich aus dem Zusammentreffen von Feiertagen und Kurzarbeit ergibt (vgl. dazu BAG Urteil vom 5. Juli 1979 - 3 AZR 173/78 - AP Nr. 33 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu 2 a der Gründe).
Auch die Kollision zwischen einem Anspruch auf Lohnzahlung an Feiertagen und einem Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle wird vom Gesetz gelöst. Das geschieht zwar nicht ausdrücklich, aber mittelbar durch § 1 Abs. 2 FeiertLohnzG. Diese Bestimmung ist ebenso wie der bereits erwähnte § 1 Abs. 1 Satz 2 FeiertLohnzG durch Art. 20 HaushaltsstrukturG vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3091) in das Gesetz eingefügt worden. Sie regelt allerdings nicht ausdrücklich, welche Rechtsgrundlage maßgebend sein soll, wenn Arbeitsunfähigkeit und gesetzlicher Feiertag zusammentreffen, aber sie bestimmt, daß sich dann, wenn der Arbeiter die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle auch an einem gesetzlichen Feiertag erfüllt und der Arbeitgeber demgemäß zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts (Krankenlohnes) für den Feiertag nach § 1 Abs. 1 FeiertLohnzG bemißt. Mit dieser Regelung ist das Problem der Konkurrenz zwischen den beiden Anspruchsgrundlagen praktisch gelöst (vgl. Schmatz/Fischwasser/Geyer/Knorr, aaO, § 1 LFZG Rz 80; Kaiser/Dunkl, aaO, § 1 Rz 98; Kehrmann/Pelikan, aaO, § 1 Rz 42; Feichtinger, Krankheit im Arbeitsverhältnis, 1981, S. 41; Färber/Klischan, Lohnzahlung an Feiertagen, 1985, S. 56).
Soweit der Senat in seinem Urteil vom 16. Juli 1980 (- 5 AZR 989/78 - AP Nr. 35 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG) die Anwendung von § 1 Abs. 2 FeiertLohnzG auf Kurzarbeit beschränkt hat, wird hieran nicht mehr festgehalten. § 1 Abs. 2 FeiertLohnzG spricht nicht von Kurzarbeit, sondern von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Arbeitsentgelt für einen gesetzlichen Feiertag. Sein Regelungsrahmen reicht über die Kurzarbeit hinaus und erstreckt sich allgemein auf das Zusammentreffen von Krankheit und Feiertag.
II.1. § 1 Abs. 2 FeiertLohnzG verweist hinsichtlich der Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts für den in einem Krankheitszeitraum liegenden Feiertag auf Absatz 1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertLohnzG ist der Lohn zu zahlen, der ohne den Arbeitsausfall gezahlt worden wäre. Ob von dieser Bestimmung durch Tarifvertrag allgemein (gemäß § 2 Abs. 3 LFZG) oder nur zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann, braucht vorliegend nicht erörtert zu werden, weil der im Streitfall anzuwendende MTV keine eigene Kollisionsnorm für den Fall des Zusammentreffens von Feiertag und Krankheit aufstellt und die Höhe der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall an Feiertagen nicht abweichend vom Gesetz regelt. § 6 MTV enthält nur allgemeine Bestimmungen über die Feiertagsbezahlung, § 12 MTV verweist für den Fall von Erkrankungen auf das Lohnfortzahlungsgesetz und bestimmt aufgrund von § 2 Abs. 3 LFZG, daß das fortzuzahlende Arbeitsentgelt sich nach dem Durchschnittsverdienst der vorhergehenden 13 Lohnwochen berechnet. Dagegen sagen die Bestimmungen nichts darüber aus, wie in dem hier streitigen Konfliktsfall zu verfahren sei. Im Hinblick auf die besondere Verweisungsbestimmung des § 1 Abs. 2 FeiertLohnzG müßte eine abweichende Regelung durch Tarifvertrag aber ausdrücklich getroffen werden.
2. Danach steht dem Kläger für die streitigen Feiertage der Lohn zu, den er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Diesen - rechnerisch unstreitigen - Lohn hat die Beklagte gezahlt. Weitere Ansprüche hat der Kläger nicht.
Dr. Gehring Dr. Olderog Dr. Peifer
Schleinkofer Dr. Hirt
Fundstellen
Haufe-Index 439921 |
BB 1989, 1900-1901 (LT1) |
DB 1989, 1878 (LT1) |
NJW 1989, 2970 |
NJW 1989, 2970 (L1) |
EBE/BAG 1989, 127-128 (LT1) |
AiB 1989, 323-323 (ST1) |
DRsp, VI (608) 201 (T) |
DOK 1990, 338 (L1-2) |
EEK, I/974 (ST1-3) |
NZA 1989, 715-716 (LT1) |
RdA 1989, 311 |
USK, 8913 (ST) |
WzS 1990, 181 (K) |
ZAP, EN-Nr 260/89 (S) |
ZTR 1989, 406-407 (LT1) |
AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG (LT1), Nr 62 |
AR-Blattei, ES 710 Nr 63 (LT1) |
AR-Blattei, Feiertage Entsch 63 (LT1) |
EzA § 1 FeiertagslohnzG, Nr 41 (LT1) |