Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung zwischen Trägern der Jugendhilfe. Beginn der Verjährung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Verjährungsbeginns bei einem Erstattungsanspruch nach § 89c Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch.

 

Normenkette

SGB VIII § 89c Abs. 1 S. 1, § 86c S. 1; SGB X § 111 S. 2, § 113 Abs. 1 S. 2; SGB XII § 111

 

Verfahrensgang

VG Ansbach (Urteil vom 19.06.2008; Aktenzeichen 14 K 06.4146)

 

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Rz. 1

 1. Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch um die Kostenerstattung für Jugendhilfeleistungen, die die Klägerin in der Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2001 für eine Heimerziehung der Kinder …, … und …P… erbracht hat.

Rz. 2

 Das Amtsgericht Nürnberg hatte mit Beschluss vom 13. Mai 1997 die elterliche Sorge für die Kinder …, … und …P… auf das Jugendamt der Klägerin übertragen. Die Mutter der Kinder lebte bis zum 28. Februar 2001 in Nürnberg, sodann bis zum März 2002 in Zirndorf und danach wieder in Nürnberg. Der Vater zog am 7. Oktober 2001 von Nürnberg nach Zirndorf und am 1. Februar 2002 zurück nach Nürnberg. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2001, dem Beklagten zugegangen am Januar 2001, wies die Klägerin auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Kindeseltern im Gebiet des Beklagten hin und beantragte die Übernahme des Hilfefalles und Kostenerstattung ab 7. Oktober 2001 bis zur Übernahme des Hilfefalles. Der Beklagte anerkannte eine Kostenerstattungspflicht für die Zeit vom 1. Januar bis zum 28. Februar 2002 und lehnte sie für die Zeit davor (7.10. bis 31.12.2001) unter Hinweis darauf ab, dass der Anspruch nach § 195 BGB i. V. m. Art. 71 AGBGB verjährt bzw. erloschen sei.

Rz. 3

 Das Verwaltungsgericht Ansbach hat den Beklagten mit Urteil vom 19. Juni 2008 verurteilt, der Klägerin die Kosten der für …, … und …P… im Zeitraum vom 1. November 2001 bis 1. Januar 2002 aufgewendeten Jugendhilfeleistungen in Höhe von 21.483,34 Euro zu erstatten. Im Übrigen (Zeitraum 7.10. bis 31.10.2001) hat es die Klage abgewiesen. Die Stattgabe der Klage begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen wie folgt: Der Anspruch auf Kostenerstattung für den Zeitraum 1. November bis 31. Dezember 2001 sei in entsprechender Anwendung der Bestimmung des § 113 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in der Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 nicht verjährt. Der Kostenerstattungsanspruch für diesen Zeitraum sei im Jahr 2002 entstanden, weil insoweit die Jugendhilfeleistungen erst mit ihrer Auszahlung und damit im Jahr 2002 erbracht worden seien. Die Verjährungsfrist von vier Jahren habe mit Ablauf des Jahres 2002 begonnen und folglich nach Klageerhebung (28.12.2006) am 31. Dezember 2006 geendet.

Rz. 4

 2. Der Beklagte begründet die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung wie folgt:

Rz. 5

 Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung des § 113 SGB X nicht die Fallgruppe der sozialhilferechtlichen Ausgleichsansprüche im Auge gehabt, bei denen nur der erstattungsberechtigte Träger dem Hilfesuchenden Hilfe gewähre und der erstattungspflichtige Träger in keiner Rechtsbeziehung zum Hilfesuchenden stehe. Auch wenn der Gesetzgeber offenbar übersehen habe, dass die Neuregelung bestimmte Fallkonstellationen nicht erfasse, dürfe diese nicht einfach übergangen werden. Anzuwenden sei vielmehr die allgemeine Verjährungsregelung des § 195 BGB bzw. bei Kostenerstattungsansprüchen zwischen bayerischen kommunalen Gebietskörperschaften Art. 71 AGBGB. In der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch werde zu § 106 (Verjährung) Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) angemerkt, die Änderung des § 113 SGB X habe zu der nicht beabsichtigten Konsequenz geführt, dass die Erstattungsverfahren zwischen den Trägern der Sozialhilfe nicht mehr von dieser Vorschrift erfasst würden. Der Gesetzgeber habe damit ebenfalls klar herausgestellt, dass § 113 SGB X nicht analog angewendet werden dürfe. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung sei der Ansicht, dass aufgrund der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB eine (erneute) Änderung des § 113 SGB X nicht erforderlich sei. Diese Auffassung werde auch von Zeitler (NDV 2003, 138 ff.) und Schwabe (ZfF 2001, 81 ff.) vertreten.

Rz. 6

 Der Beklagte beantragt,

Rz. 7

 das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. Juni 2008 insoweit aufzuheben, als der Beklagte für den Zeitraum 1. November 2001 bis 31. Dezember 2001 zur Kostenerstattung verurteilt wurde, und die Klage auch für diesen Zeitraum abzuweisen.

Rz. 8

 Die Klägerin beantragt,

Rz. 9

 die Berufung zurückzuweisen.

Rz. 10

 Es bestehe keine Notwendigkeit auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zurückzugreifen, weil die Gesetzeslücke, die durch die Neuregelung des § 113 SGB X entstanden sei, im Wege der Analogie zu § 113 SGB X geschlossen werden könne. Der Gesetzgeber habe in § 111 SGB X den Beginn der A...

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