Entscheidungsstichwort (Thema)
Kinder- und Jugendhilferecht. Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege. Begriff des Personensorgeberechtigten. Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen. Kinder- und Jugendhilferechts. Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 7. Juni 2004
Normenkette
SGB VIII § 7 Abs. 1 Nr. 5, §§ 27, 33, 39
Verfahrensgang
VG Bayreuth (Urteil vom 07.06.2004; Aktenzeichen B 3 K 02.662) |
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege und von ergänzenden Leistungen zum notwendigen Unterhalt der Jugendlichen W.J. ab dem 21. Mai 2001.
1. Die am 29. März 1988 geborene W.J. ist die Tochter der Beigeladenen, die thailändische Staatsangehörige ist, und des ebenfalls thailändischen Staatsangehörigen S.K., der sich in Thailand an einem unbekannten Ort aufhält. Die Beigeladene heiratete im Jahr 1993 B.D., den Sohn der Klägerin, und brachte ihre Tochter 1994 mit nach Deutschland. Seit dem 15. Januar 1996 lebte W.J. im Haushalt der Klägerin, die auch ihren Unterhalt bestreitet. Mit Formularantrag vom 5. März 2001 beantragte die Klägerin beim Beklagten Jugendhilfe in Form der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege ab dem 1. Januar 2001. Anlass hierfür war die Trennung der Beigeladenen vom Sohn der Klägerin, von dem sie mittlerweile geschieden ist.
Vor dem Amtsgericht B. schlossen die Klägerin und die Beigeladene am 21. Mai 2001 eine Vereinbarung mit dem Inhalt, dass der Aufenthalt von W.J. bei der Klägerin sein solle. Die Klägerin solle als Pflegerin für den Aufenthalt, die Besorgung schulischer Angelegenheiten und die Gesundheitsfürsorge bestellt werden. Mit Beschluss vom 21. Mai 2001 bestellte das Amtsgericht B. die Klägerin für W.J. als Pfleger für die Angelegenheiten des Aufenthalts, der Gesundheitsfürsorge und der schulischen Angelegenheiten.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2001 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege ab. Der erzieherische Bedarf von W.J. sei bisher sichergestellt gewesen, ohne dass es öffentlicher Hilfe bedurft habe. Erziehungsprobleme lägen auch derzeit nicht vor, so dass Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nicht gewährt werden könne. Auch sei die Klägerin nicht antragsberechtigt, da sie nicht voll personensorgeberechtigt sei. Die ihr mit Beschluss des Amtsgerichts B. übertragenen Teile des Personensorgerechts beinhalteten nicht das Recht zur Antragstellung für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Regierung von O. mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2002 zurück.
2. Am 24. Juli 2002 erhob die Klägerin beim Verwaltungsgericht Bayreuth Klage mit dem Antrag,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Juli 2001 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2002 zu verpflichten, ihr ab 5. März 2001 Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege einschließlich der sie ergänzenden Leistungen zum Unterhalt nebst den Kosten der Erziehung des Kindes W.J. zu gewähren.
Am 25. September 2002 erhob auch die Beigeladene Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth, mit der sie die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung ab dem 24. September 2002 beantragte. Diese Klage hat die Beigeladene am 23. März 2005 zurückgenommen.
Am 4. September 2003 führte das Kreisjugendamt des Beklagten bei der Klägerin einen Hausbesuch durch. Auf den darüber gefertigten Aktenvermerk wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 30. April 2004 hat das Verwaltungsgericht die Beigeladene zum Klageverfahren der Klägerin beigeladen.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 7. Juni 2004 ab. Die Klägerin könne sich nicht auf § 27 Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 27 Abs. 2 Satz 1, §§ 33, 39 SGB VIII berufen, weil sie nicht personensorgeberechtigt im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB VIII für W.J. sei. Personensorgeberechtigt sei auch nach der Übertragung der Pflege für die Angelegenheiten des Aufenthalts, der Gesundheitsfürsorge und der schulischen Angelegenheiten auf die Klägerin weiterhin die Beigeladene als Mutter des Kindes. Zwar sei es möglich, durch familiengerichtliche Entscheidungen Sorgerechtsbereiche dergestalt auf eine dritte Person zu übertragen, dass diese das Recht erhalte, öffentliche Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen und Leistungen zum Unterhalt und zur Erziehung geltend zu machen. Eine derartige familiengerichtliche Entscheidung müsse jedoch ausdrücklich und in unmissverständlicher Weise ergehen. Sie liege hier nicht vor. Die Klägerin sei auch nicht dadurch Inhaberin des Rechts auf Inanspruchnahme von Jugendhilfeleistungen geworden, dass die Beigeladene mit Schreiben vom 4. Juli 2002 ihr Einverständnis mit der Übertragung des Rechts auf ...