Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeld. nachträgliche Verhängung außerhalb der mündlichen Verhandlung. Büroweg. Ausbleiben des Klägers trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens. Erforderlichkeit. Anwesenheit des Rechtsanwalts. Abschluss eines widerruflichen Vergleichs in der Sitzung
Leitsatz (amtlich)
Nachträglich und außerhalb der mündlichen Verhandlung kann im Bürowege Ordnungsgeld gegen einen säumigen mit Anordnung zum persönlichen Erscheinen geladenen Kläger nicht verhängt werden, wenn dieser durch einen Rechtsanwalt vertreten war und in der Sitzung ein - zwar widerruflicher - Vergleich geschlossen worden ist, ohne dass eine nur zum widerruflichen Vergleichsabschluss berechtigende Bevollmächtigung vorgelegen hätte.
Tenor
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. März 2009 aufgehoben.
II. Dem Beschwerdeführer sind die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens aus der Staatskasse zu erstatten.
III. Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ihm auferlegtes Ordnungsgeld und gegen Kosten.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht München begehrte der Beschwerdeführer Honorarkürzungen verschiedener Quartalsabrechnungen aufzuheben. In den Verfahren S 39 KA 12/09, S 39 KA 13/09, S 39 KA 14/09 und S 39 KA 15/09 rügte er den Regress der Quartale 3 und 4/2005, 1/2006 sowie 1/2007. In weiteren unter den Aktenzeichen S 39 KA 938/08, S 39 KA 944/08 und S 39 KA 945/08 geführten Verfahren wandte er sich gegen Honorarkürzungen der Quartale 2, 3 und 4/2006.
Am 14.01.2009 verfügte das Sozialgericht die Ladung der Beteiligten zum Erörterungstermin am 12.02.2009. Es ordnete hierzu das persönliche Erscheinen des anwaltschaftlich vertretenen Beschwerdeführers an. Die Ladung, in der die Aktenzeichen S 39 KA 12/09 bis S 39 KA 15/09 aufgeführt waren, wurde dem Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde, die sich nicht in den Akten befindet, zugestellt.
In der Ladung wurde darauf hingewiesen, der Beschwerdeführer habe auch dann zu erscheinen, wenn er einen Bevollmächtigten entsende. Das Auftreten eines Prozessbevollmächtigten könne untersagt werden, solange der Beschwerdeführer unbegründet ausbleibe und dadurch der Zweck der Anordnung vereitelt werde. Im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens, könne ihm Ordnungsgeld auferlegt werden.
Im Termin zur Erörterung am 12.02.2009 erschien der Beschwerdeführer nicht, jedoch sein Prozessbevollmächtigter. In einem zu den Verfahren S 39 KA 12/09 bis S 39 KA 15/09, S 39 KA 938/08, S 39 KA 944/08 und S 39 KA 945/08 gemeinsam geführten Protokoll vom 12.02.2009 ist ein von den Beteiligten geschlossener Vergleich festgehalten. Darin wird der Regress in allen streitigen Quartalen um 50 % reduziert; dem Beschwerdeführer wurde eine einwöchige Widerrufsfrist eingeräumt. Am 19.02.2009 widerrief der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers den Vergleich; er bat um Äußerungsfrist bis 13.03.2009.
Am 16.03.2009 legte das Sozialgericht dem Beschwerdeführer Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 EUR und Kosten des versäumten Termins von 100,00 EUR auf. Im Beschluss waren die Aktenzeichen S 39 KA 938/08, S 39 KA 944/08, S 39 KA 945/08 sowie S 39 KA 15/09 aufgeführt. Den Beschluss begründete das Sozialgericht damit, dass der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung dem Termin unentschuldigt ferngeblieben sei. Nach dem Widerruf des Vergleichs wurden die vorgenannten Verfahren unter anderen Aktenzeichen fortgeführt.
Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit Empfangsbekenntnis vom 24.03.2009 zugestellt.
Dagegen wurde mit beim Sozialgericht am 23.04.2009 eingegangenen Fax Beschwerde eingelegt. Der Beschwerdeführer sei nicht unentschuldigt dem Termin ferngeblieben. Er sei am Morgen des Verhandlungstages von seiner Ehefrau tätlich angegriffen worden. Dabei habe er sich eine 2 cm lange Kratzwunde am rechten Außenknöchel zugezogen. Er habe einen Arzt aufgesucht, wie das anliegende Attest bestätige. Darüber hinaus habe ihn der Vorfall psychisch belastet.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts München vom 16.03.2009 aufzuheben.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig (§ 172 Abs. 1, 173 SGG) und begründet. Der Ordnungsgeldbeschluss vom 16.03.2009 war aufzuheben.
Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden gemäß § 173 SGG. Dies gilt allein schon deswegen, weil der Ordnungsgeldbeschluss dem säumigen Beteiligten zuzustellen ist und hier nur an den Prozessbevollmächtigten zugestellt wurde. Dies setzt die Beschwerdefrist nicht in Lauf (LAG Nürnberg Beschluss vom 10.07.2008 2 Ta 115/08).
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Beschluss vom 16.03.2009 leidet an verschiedenen Mängeln. Der Senat geht davon aus, dass der Beschwerdeführer die Ladung erhalten hat, obwohl dies der Akte nicht zu entnehmen ist...