Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung. Erforderlichkeit eines feststellenden Verwaltungsakts
Leitsatz (amtlich)
Der Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts ist für eine rechtswirksame Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG Voraussetzung.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.12.2017 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für den Zeitraum ab 06.12.2017 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens aber bis 30.06.2018 Grundleistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 2/3 zu erstatten.
IV. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Herr Rechtsanwalt B., B-Stadt beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin (Ast) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Zeitraum ab 06.12.2017.
Die 1979 geborene Ast ist iranische Staatsangehörige. Sie reiste am 13.06.2017 nach Deutschland ein und stellte am 18.07.2017 Asylantrag. Sie hält sich derzeit in der Aufnahmeeinrichtung A., A-Straße, A-Stadt auf.
Bescheide der Antragsgegnerin (AG) über die Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG sind bislang nicht ergangen. Den Akten der AG ist lediglich zu entnehmen, dass der Ast am 23.08.2017 für Juli und August 2017 insgesamt ein Geldbetrag in Höhe von 119 € ausgezahlt wurde.
Vor ihrer Einreise nach Deutschland war der Ast am 24.05.2017 von der schwedischen Botschaft in Teheran ein Schengen-Visum mit einem Gültigkeitszeitraum vom 27.05.2017 bis 05.07.2017 erteilt worden. Am 02.08.2017 fand durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) eine Anhörung der Ast statt. Bei dieser Anhörung gab die Ast an, direkt vom Iran nach Deutschland geflogen zu sein. Sie führte aus, dass sie froh sei, in Deutschland zu sein, da es hier für Frauen Sicherheit gebe. Ihr Bruder halte sich in Deutschland auf und sei Christ. Sie selbst wolle auch Christin werden und sich taufen lassen. Sie leide an Depressionen und sei im Iran in Behandlung gewesen. Sie wolle in keinen anderen Staat überstellt werden, da ihr Bruder in Deutschland sei und sie ihn aufgrund ihres Zustandes brauche. Sie habe zu ihrem Bruder letztmalig im März 2017 Kontakt gehabt, als sie ihm zum neuen Jahr gratuliert habe.
Am 04.08.2017 stellte das Bundesamt ein Aufnahmegesuch nach der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) an Schweden, dem von den schwedischen Behörden mit Schreiben vom 14.08.2017 entsprochen wurde. Mit Bescheid vom gleichen Tag lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Ast als unzulässig ab und stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 u. Abs. 7 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegen. Die Abschiebung nach Schweden wurde angeordnet und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 3 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Gegen den Bescheid erhob die Ast Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth (VG - Az. B 2 K 17.50957). Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Mit Beschluss vom 28.08.2017 lehnte das VG den Antrag der Ast auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage ab.
Am 04.09.2017 erging ein Schreiben der Regierung von Oberfranken - Zentrale Ausländerbehörde an die AG, wonach bei der Ast der Missbrauchstatbestand des § 1a Abs. 1 AsylbLG erfüllt sei. Bei der Ast liege eine Einreise über einen sicheren Drittstaat (Schweden) vor. Es werde um die Prüfung etwaiger Leistungskürzungen in eigener Zuständigkeit gebeten. Falls eine Kürzung erfolge, werde um Übersendung einer Kopie des Kürzungsbescheides gebeten.
Bei einer Vorsprache der Ast bei der AG am 07.09.2017 teilte ihr diese daraufhin mündlich mit, "dass aufgrund der gemäß § 1a Abs. 1 AsylbLG durchzuführenden Leistungskürzung eine Auszahlung des Geldbetrages für den persönlichen Bedarf (sog. Taschengeld) nicht mehr erfolgen könne" (so der Vortrag der AG in der Antragserwiderung vom 12.12.2017).
Gegen den mündlichen Verwaltungsakt vom 07.09.2017 legte die Ast über ihren Anwalt am 06.12.2017 Widerspruch ein. Den Widerspruch legte die AG der Regierung von Oberfranken zur Entscheidung vor. Eine Widerspruchsentscheidung ist bislang nicht ergangen.
Am 06.12.2017 hat die Ast beim Sozialgericht Bayreuth (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und beantragt, die AG im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab 06.12.2017 vorläufig Leistungen gemäß §§ 3 und 6 AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Mit Beschluss vom 14.12.2017 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Dies hat das SG im Wesentlichen damit begründet, dass es bereits an einem Anordnungsanspruch fehle. Es seien in der Hauptsache keine Erfolgsaussichten er...