Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem innerhalb einer mündlichen Verhandlung erlassenen Ordnungsgeldbeschluss wirken die ehrenamtlichen Richter mit.
2. Die Regelung des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO bezweckt die Förderung des gerichtlichen Verfahrens. Im Rahmen der Verhängung von Ordnungsgeld ist auch insoweit eine Ermessensentscheidung vorzunehmen.
Tenor
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 12. Februar 2010 aufgehoben.
II. Die Staatskasse hat der Beschwerdeführerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstanden außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht München hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) die Erstattung der ihr im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen geltend gemacht.
Zu der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2010 hat das Sozialgericht das persönliche Erscheinen der Bf. angeordnet. Die Ladung wurde ihr am 27. Januar 2010 zugestellt. Sie war mit dem Hinweis versehen, dass gegen die Bf. ein Ordnungsgeld bis zu 1.000.- EUR festgesetzt werden kann, falls sie ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint.
Zur Sitzung am 12. Februar 2010 ist zwar der Prozessbevollmächtigte der Bf., nicht jedoch die Bf. selbst erschienen. Der Bevollmächtigte hat eine Vollmacht vorgelegt und sich hinsichtlich der Abwesenheit der Bf., die arbeitsbedingt nicht erscheinen habe können, auf die Regelung des § 141 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) verwiesen. Das angeordnete persönliche Erscheinen der Bf. sei nicht notwendig.
Der Kammervorsitzende hat mit Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von 400.- EUR verhängt. Die Tatsache, dass die Bf. heute arbeite, stelle keine hinreichende Entschuldigung dar. Der Vortrag des Bevollmächtigten, es sei eine reine Rechtsfrage und die Bf. könne hierzu nichts beitragen, entschuldige das eigenmächtige Nichterscheinen der Bf. nicht. Über die Notwendigkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens entscheide allein das Gericht. Im Anschluss wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil ab.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat die Bf. erneut auf die Regelung des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO verwiesen. Darüber hinaus fehle es an der notwendigen Ermessensausübung, ob das Nichterscheinen der Partei zu einem im Sinne des Förderzwecks ungünstigerem Verlauf des Verfahrens geführt, das Verfahren behindert oder verzögert und insbesondere eine Entscheidung im Termin verhindert hat. Dem Gericht sei es vielmehr nur um eine Bestrafung der Bf. gegangen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) und begründet.
Nach §§ 111, 202 SGG in Verbindung mit § 141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Hält er zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer eine Erörterung und Beweiserhebung für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Nach § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint.
Die Entscheidung über die Verhängung von Ordnungsgeld trifft das Gericht durch Beschluss. Aus § 12 Abs.1 S. 2 SGG ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei Beschlüssen innerhalb der mündlichen Verhandlung die ehrenamtlichen Richter mitwirken. Auf einen Beschluss in der mündlichen Verhandlung ist u.a. § 61 Abs. 2 SGG anzuwenden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 142 Rdnr. 3a). Danach hat jeder Entscheidung eine äußerlich erkennbare Beratung und Abstimmung vorauszugehen (§ 192 ff Gerichtsverfassungsgesetz - GVG). Der Zweck des Beratungsgeheimnisses erfordert es, dass Beratung und Abstimmung geheim sind, also nur für die zur Teilnahme Berechtigten wahrnehmbar stattfinden. Nach § 160 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 202 SGG sind die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen.
Zur Entscheidung über die Verhängung von Ordnungsgeld berufen ist somit im Rahmen der mündlichen Verhandlung der Spruchkörper, d.h. der Vorsitzende unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (so z.B. auch: Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 05.02.2010, Az.: L 2 R 515/09 B; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 111 Rdnr. 6 b). Ausweislich der Sitzungsniederschrift ist vorliegend der Beschluss allein vom Vorsitzenden gefasst worden. Ob dem eine geheime Beratung und Abstimmung der Kammer, d.h. unter Einbezug der ehrenamtlichen Richter, vorausgegangen ist, ist zumindest nicht erkennbar. Dies ist vorliegend von besonderer Bedeutung, da die Verhängung von Ordnungsgeld gemäß § 2...