Leitsatz (amtlich)

1. Eine Entschädigung für Zeitversäumnis i.S.d. § 20 JVEG hat dann nicht zu erfolgen, wenn sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers ergibt, dass er die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, oder wenn es offensichtlich ist, dass ein Nachteil nicht eingetreten ist.

2. Die für Zeitversäumnis zu entschädigende Zeit beträgt maximal 10 Stunden pro Tag; eine weitergehende zeitliche Begrenzung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.

3. Bei der Entschädigung für Zeitversäumnis ist eine fiktive Mittagspause nicht in Abzug zu bringen.

4. Ob eine Begleitperson notwendig ist, ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden.

5. Grundsätzlich besteht ein Recht zur freien Wahl des Beförderungsmittels im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 5 JVEG. Diese Wahlfreiheit findet ihre Grenze, wenn durch die Entscheidung für ein bestimmtes Beförderungsmittel zusätzliche Kosten, die nicht von § 5 JVEG umfasst sind, entstehen.

6. Die Kosten für die Inanspruchnahme einer Begleitperson sind nur zu erstatten, wenn entweder eine Anreise ohne Begleitperson mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel überhaupt nicht möglich oder zumutbar ist oder die Inanspruchnahme einer Begleitperson aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt ist oder dem Begleiteten ein Vertrauensschutz hinsichtlich der Begleitung zusteht.

 

Tenor

Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung der Untersuchungstermine bei den Gutachtern Dr. A. und Dr. R. am 26.01.2012 wird auf 103,50 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Vergütung seiner Auslagen für die Wahrnehmung zweier Begutachtungstermine am 26.01.2012 nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), insbesondere die Erstattung der Kosten für eine Begleitperson.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (Bayer. LSG) unter dem Az. L 17 U 404/08 geführten Rechtsstreit des Antragstellers gegen einen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung wurde der Antragsteller am 26.01.2012 von den gerichtlich beauftragten Gutachtern Dres. A. und R. untersucht. Die Untersuchungen begannen um 12.00 Uhr und endeten um 17.00 Uhr.

Die Notwendigkeit einer Begleitperson sahen die Sachverständigen nicht.

Der Antragsteller wurde zu dem nach seinen Angaben 141 km entfernten Untersuchungsort von Herrn W. A. mit dem Pkw gebracht, in gleicher Weise erfolgte die Rückreise. Nach seinen Angaben ist er von zu Hause um 10.00 Uhr weggefahren und um 19.00 Uhr zurückgekehrt.

Mit zwei Entschädigungsanträgen vom 07.02.2012 machte der Antragsteller als Entschädigung geltend

- eine Zeitversäumnis von 10.00 Uhr bis 19.00 Uhr,

- Fahrtkosten für eine Fahrtstrecke von insgesamt 282 km,

- Kosten für ein Mittagessen in Höhe von 15,- €,

- für die Begleitung durch Herrn W. A. Kosten für ein Mittagessen in Höhe von 15,- € sowie dessen Verdienstausfall für neun Stunden als Selbständiger (Inhaber eines Baggerbetriebs) zu je 27,- €.

Mit Schreiben vom 23.02.2012 bewilligte die Kostenbeamtin des Bayer. LSG als Entschädigung 91,50 €, die sich wie folgt aufschlüsseln:

- Entschädigung für Zeitversäumnis von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr abzüglich einer Pause von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr: 15,- €,

- Fahrtkosten für eine Fahrtstrecke von insgesamt 282 km: 70,50 €,

- Aufwand/Tagegeld gemäß § 6 JVEG in Höhe von 15,- €.

Kosten für eine Begleitperson seien nicht zu erstatten, da eine Begleitperson nach den Angaben des Sachverständigen Dr. A. nicht notwendig gewesen sei.

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 28.02.2012 gewandt. Die Begleitperson sei - so der Antragsteller - notwendig gewesen, da er wegen Medikamenten solch große Strecken nicht fahren könne. Er habe auch kein eigenes Auto.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 27.03.2012 sind dem Antragsteller die Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten einer Begleitperson erläutert worden.

II.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 28.02.2012 sinngemäß die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Entschädigung für die Wahrnehmung der Termine bei den Gutachtern am 26.01.2012 ist auf 103,50 € festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch, insbesondere auf Erstattung der Kosten der Begleitung durch Herrn W. A., besteht nicht.

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 4.12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende P...

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