Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Fristversäumnis. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs 1 SGG. Untersuchungshäftling in einer JVA

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist einem Untersuchungsgefangenen zumutbar, zwischen Strafverhandlungen zur Fristwahrung eine Beschwerdeschrift in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz vor den Sozialgerichten zu verfassen.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 11. Februar 2009 wird verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet ist, Leistungen für orthopädische Schuhe, eine Armbanduhr, Zahnkronen, Zahnersatz, Weihnachtsgeld, die Übernahme der Kosten einer Schuhreparatur und einen höheren Barbetrag nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu gewähren.

Den Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 20.12.2008 hat das Sozialgericht München mit Beschluss vom 11.02.2009 abgelehnt. Dieser Beschluss wurde dem Antragsteller ausweislich der Zustellungsurkunde am 16.02.2009 gegenüber der JVA A-Stadt bekannt gegeben.

Hiergegen hat der Antragsteller am 25.03.2009 beim Sozialgericht München Beschwerde erhoben und bezüglich der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe am 16.02., 09.03. und 11.03.09 Verhandlungen beim Strafgericht gehabt. Für den 09.03.2009 seien die Schlussanträge vorgesehen gewesen. Die Verhandlung habe bis 21:00 Uhr gedauert. Ferner habe sich der Beschwerdeführer am 01.03.2009 einen Finger gebrochen und sei daher vom 02.03.2009 bis 03.03.2009 im Krankenhaus gewesen. Der Finger sei am 03.03.2009 operiert und zusammen mit dem Unterarm eingegipst worden. Am letzten Regeleinkauf am 11.03.2009 habe der Antragsteller auch nicht teilnehmen können, da zu diesem Zeitpunkt die mündliche Verhandlung stattfand. Er habe deshalb weder Briefmarken noch Kugelschreiber kaufen können. Zur Glaubhaftmachung verweise er auf die Gefangenenpersonalakte. In einem Nachtrag teilte der Kläger mit, der Brief vom 15.03.2009 sei von der Briefzensur am 16.03.2009 beanstandet worden, so dass er erst am 17.03.2009 versandt werden konnte. Eine Beschwerdebegründung werde nachgereicht.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 11. Februar 2009 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig

einen höheren Barbetrag als 35 € zu gewähren,

die Aufwendungen für eine Armbanduhr in Höhe von 15 € zu gewähren,

die Übernahme der Kosten einer Zahnersatzbehandlung zuzusichern,

Weihnachtsgeld zu gewähren,

die Kosten einer Schuhreparatur in Höhe von 5 € zu erstatten,

die Aufwendungen für orthopädische Schuhe zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde wird verworfen, da sie unzulässig ist.

Gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ausweislich der vorliegenden Zustellungsurkunde wurde der Beschluss des SG am 16.02.2009 bekannt gegeben. Nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 SGG endete die Beschwerdefrist am 16.03.2009. Ausweislich des Eingangsstempels des SG ist die Beschwerde am 25.03.2009 dort eingegangen und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist (§ 173 Satz 1 SGG) beim SG erhoben.

Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist bei Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Ein Verschulden ist dann zu verneinen, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist (vergleiche Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 2008, 9. Auflage, § 67, Rz.: 3). Besteht auch nur die Möglichkeit einer unverschuldeten Fristversäumnis, so scheidet eine Wiedereinsetzung aus (vergleiche Keller, a.a.O.). Bezüglich der Vorwerfbarkeit der Fristversäumnis kommt es auf die persönlichen Verhältnisse an.

Zur vollen Überzeugung des Senats steht fest, dass dem Antragsteller, unabhängig von einer Verletzung seines Fingers, bei zumutbarer Sorgfalt die Einhaltung der Beschwerdefrist möglich war. Nach telefonischer Auskunft eines zuständigen Beamten des Vollzugsdienstes gegenüber dem Berichterstatter, kann während der Woche jederzeit der Sozialdienst angefordert werden. Danach gibt der Antragsteller grundsätzlich am Morgen seine Meldungen beim Vollzugsdienst ab. Spätestens am Nachmittag des gleichen Tages erscheint ein Mitarbeiter des Sozialdienstes, der gegebenenfall...

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