Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Fahrtkostenerstattung für die Wahrnehmung eines Termins zur Begutachtung
Leitsatz (amtlich)
Zur Kostenerstattung bei Benutzung eines Taxis:
1. Die vollen Kosten für die Inanspruchnahme eines Taxis sind nur zu erstatten, wenn entweder eine Reise ohne Taxi mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel (öffentliches Verkehrsmittel oder eigenes bzw. unentgeltlich zur Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug) überhaupt nicht möglich oder zumutbar oder die Reise mit einem Taxi aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt oder die Reise mit einem Taxi aus Vertrauensschutzgründen zulässig ist.
2. Eine anteilige Kostenerstattung der Taxikosten bis zu der Höhe, in der bei Benutzung einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel Kosten entstanden wären, hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
3. Eine Erstattung der fiktiven Kosten, die bei einer Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln angefallen wären, steht im Widerspruch zu den Regelungen des JVEG, das nur die Erstattung tatsächlich entstandener Kosten vorsieht.
Tenor
Die Entschädigung der Antragstellerin für die Wahrnehmung des Termins zur Begutachtung am 09.09.2011 wird auf 36,25 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung wegen der Wahrnehmung zweier gerichtlich angeordneter Begutachtungstermine nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen geführten Rechtsstreit wurde die dortige Klägerin und jetzige Antragstellerin am 09.09.2011 im Rahmen von zwei von Amts wegen angeordneten Begutachtungen durch die Sachverständigen Dres. C. und A. untersucht. Die Untersuchungen fanden zwischen 8.15 Uhr und 11.45 Uhr statt.
Mit auf den 12.09.2011 datiertem Entschädigungsantrag, bei Gericht eingegangen am 08.12.2011, beantragte die Antragstellerin die Entschädigung für das Erscheinen zu den gutachtlichen Untersuchungen am 09.09.2011.
Im Entschädigungsantrag gab die Antragstellerin an, für die Fahrt zu und von den Begutachtungen ein Taxi benutzt zu haben; sie legte dafür eine Rechnung des Taxiunternehmens über 212,20 € vor. Als gefahrene Kilometer gab sie 145 km an. Nach ihren Angaben sei sie von zu Hause um 6.50 Uhr weggefahren und um 13.00 Uhr wieder zurückgekehrt. Die Taxibenutzung begründete sie damit, dass eine Bahnanbindung zu dieser Uhrzeit nicht bestehe.
Die Sachverständigen sahen keine medizinische Notwendigkeit für die An- und Abreise per Taxi.
Mit Schreiben vom 04.01.2012 bewilligte die Kostenbeamtin des Bayer. LSG als Entschädigung Fahrtkosten für eine Fahrtstrecke von insgesamt 145 km in Höhe von 36,25 €. Die Taxikosten seien nicht erstattungsfähig, da eine Beförderung mit dem Taxi nach den Angaben des Sachverständigen nicht notwendig gewesen sei. Es könnten daher nur die tatsächlich gefahrenen Kilometer erstattet werden.
Mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreterin vom 31.01.2012 hat sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung der Erstattung der Taxikosten gewandt. Sie - so die Antragstellerin - besitze kein Fahrzeug und hätte daher nicht selbst mit einem Auto reisen können. Bei Anreise mit dem Zug hätte sie zum Untersuchungstermin nicht rechtzeitig erscheinen können.
Auf die Aufforderung des Gerichts, näher darzulegen, warum bei einer Anreise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln ein rechtzeitiges Erscheinen nicht möglich gewesen wäre, hat die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 08.05.2012 nur mitgeteilt, dass die Antragstellerin wegen Schmerzen in der Hand und einer sich daraus ergebenden Angst vor Menschenansammlungen unumgänglich mit dem Taxi fahren habe müssen.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte mit Schreiben vom 31.01.2012 sinngemäß die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung der Termine bei den Gutachtern am 09.09.2012 ist auf 36,25 € festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch, insbesondere auf Erstattung der Taxikosten, besteht nicht.
1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung be...