Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Aufrechnung durch Verwaltungsakt
Orientierungssatz
Die Aufrechnung nach § 51 Abs 2 SGB 1 erfolgt durch Verwaltungsakt (vgl BSG vom 25.3.1982 - 10 RKg 2/81 = BSGE 53, 208 = SozR 1200 § 52 Nr 6, vom 21.7.1988 - 7 RAr 51/86 = BSGE 64, 17 = SozR 1200 § 54 Nr 13 und vom 27.3.1996 - 14 REg 10/95 = BSGE 78, 132 = SozR 3-1200 § 51 Nr 5; andere Ansicht BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R = SozR 4-1200 § 52 Nr 1).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verrechnung einer Nachzahlung für den Kläger mit einer Erstattungsforderung.
Die mit Bescheid/Widerspruchsbescheid vom 13.12.2001/11.04.2002 geltend gemachte Erstattungsforderung der Beklagten (wegen zu Unrecht gewährter Reisekosten in Höhe von 1.570,80 DM, 803,14 EUR) ist bindend geworden (Gerichtsbescheid vom 17.06.2003, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30.07.2004, Nichtzulassung der Revision durch Beschluss des BSG).
Am 05.06.2003 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehbarkeit der Forderung an, die Gegenstand des Klageverfahrens S 4 AL 414/03 beim Sozialgericht Augsburg (SG) war.
Mit streitigem Bescheid vom 14.07.2003 rechnete die Beklagte die zu Unrecht gezahlten Reisekosten in Höhe von 803,14 EUR gegen die Nachzahlung von Überbrückungsgeld in Höhe von 3.722,60 EUR für die Zeit vom 03.02.2003 bis 02.06.2003 auf.
Zunächst erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und brachte zur Begründung vor, dass die Verrechnung aufgrund seiner Abtretung vom 15.04.1998 zugunsten seiner jetzigen Ehefrau nicht zulässig sei. Darüber hinaus habe die Beklagte die Pfändungsfreigrenzen nicht beachtet. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2003 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum SG und wiederholte dabei im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, insbesondere dass die Pfändungsgrenzen zu beachten seien.
Durch Urteil vom 24.11.2005 wies das SG die Klage ab und stützte sich dabei auf die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Danach sei die Abtretung an seine Ehefrau vorrangig vor einer Verrechnung.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2003 zu verurteilen, den verrechneten Betrag in Höhe von 803,14 Euro an den Kläger auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie geht von der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aus und ist insbesondere der Ansicht, dass die Aufrechnung durch Verwaltungsakt erfolgen dürfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen sowie der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 4, 33, 12 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Voraussetzungen eines Gerichtsbeschlusses, insbesondere nach einer Umfrage im Senat, gegeben sind und dessen Erlass angekündigt worden ist. Der Kläger hat davon Kenntnis erlangt und sich dazu geäußert, zuletzt mit Schriftsatz vom 1. August 2007.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
Eine Beiladung der Ehefrau des Klägers war notwendig. Denn der Kläger behauptet, selbst nicht mehr Forderungsgläubiger der verrechneten Summe von 803,14 Euro zu sein. Notwendig wäre daher bei der von der Beklagten gewählten Form der Verrechnung durch Verwaltungsakt neben dessen Abänderung eine Auszahlung an die Ehefrau des Klägers. Selbst bei einem Obsiegen des Klägers dürfte also die Leistung nicht an denselben ergehen, so dass wesentliche Interessen der Ehefrau berührt sind. Nur insoweit lässt sich auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den Kläger zur Führung des Rechtsstreits annehmen.
Zutreffende Rechtsschutzform ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (54 Absatz 4 SGG), da, wie später ausgeführt wird, die Verrechnung zulässig in der Form eines Verwaltungsaktes geschehen ist.
Die Berufung ist indes nicht begründet. Das Urteil des SG erging zurecht, weil auch die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten rechtmäßig sind.
Streitig war im Klageverfahren eine Aufrechnung (nicht Verrechnung, wie gelegentlich vom Klägerbevollmächtigten ausgeführt), die von der Beklagten in der Form des Verwaltungsaktes durchgeführt wurde. Während bei der Aufrechnung der Leistungsträger Gläubiger der Geldforderung ist, mit der aufgerechnet wird (Gegenforderung), und zugleich Schuldner des Anspruchs auf die Geldleistung des Leistungsberechtigten, gegen die aufgerechnet wird (Hauptforderung, vgl. hierzu BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 2 S. 24), besteht bei der Verrechnung keine Identität von Gläubiger und Schuldner.
Hier war die Beklagte sowohl Gläubiger des Nachzahlungsanspruchs des Klägers auf Überbr...