Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung für die Teilnahme an einem gerichtlich angeordneten Termin. Beurteilung der Entstehung eines Verdienstausfalls. Entschädigung für Zeitversäumnis
Leitsatz (amtlich)
1. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Verdienstausfall entstanden ist, ist die Beurteilung am Tag des gerichtlich angeordneten Termins, der den Entschädigungsanspruch nach dem JVEG zur Folge hat.
2. Ändert der Arbeitgeber seine ursprüngliche Angabe, es sei bezahlter Urlaub genommen worden, dahingehend ab, dass dies versehentlich erfolgt sei und daher rückwirkend unbezahlter Urlaub eingetragen worden sei, begründet dies keinen Anspruch auf eine Entschädigung für Verdienstausfall.Anstelle einer Entschädigung für Verdienstausfall ist dann eine solche für Zeitversäumnis zu gewähren.
3. Zu entschädigen ist die nach objektiven Maßstäben zu ermittelnde gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise und Wartezeiten. Sofern die vom Zeugen bzw. Beteiligten angegebene Zeit nicht lebensfremd erscheint, ist sie der Entschädigung zugrunde zu legen.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme an der gerichtlich angeordneten Begutachtung am 21.10.2015 wird auf 108,50 € festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem vom Gericht angeordneten Begutachtungstermin. Insbesondere geht es um die Frage der Entschädigung für Verdienstausfall.
In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 14 R 998/14 geführten rentenversicherungsrechtlichen Berufungsverfahren wurde der Antragsteller am 21.10.2015 auf Anordnung des Gerichts vom Sachverständigen Dr. L. im M. untersucht. Der ursprünglich auf 10.00 Uhr angesetzte Untersuchungstermin dauerte von 9.45 Uhr bis um 10.45 Uhr.
Mit einem am 02.11.2015 ausgefüllten und beim LSG am 12.11.2015 eingegangenem Entschädigungsantrag beantragte der Antragsteller eine Entschädigung für Verdienstausfall für 7,7 Stunden in Höhe von 89,38 €, was dem Tagesverdienst (übliche Arbeitszeit von 7.00 Uhr bis 15.12 Uhr) entspricht, einen Fahrtkostenersatz für eine Fahrtstrecke mit dem Auto von 336 km und Ersatz von Zehrkosten. Im Antrag gab er, von seinem Arbeitgeber am 05.11.2015 bestätigt, an, dass er bezahlten Urlaub bzw. Gleitzeit genommen habe. Er sei um 7.00 Uhr von zu Hause weggefahren und um 15.00 Uhr wieder daheim gewesen.
Mit Schreiben der Kostenbeamtin vom 27.11.2015 wurde dem Antragsteller eine Entschädigung in Höhe von 108,50 € gewährt (Entschädigung für Zeitversäumnis von 7.00 Uhr bis 14.00 Uhr in Höhe von 24,50 €, Erstattung von Fahrtkosten für gefahrene 336 km in Höhe von 84,- €). Ergänzend wies die Kostenbeamtin darauf hin, dass eine Entschädigung für Verdienstausfall nicht gewährt werden könne, da der Arbeitgeber des Antragstellers bescheinigt habe, dass der Antragsteller am 21.10.2015 Urlaub genommen habe. Eine Aufwandsentschädigung gemäß § 6 JVEG könne nur bei einer notwendigen Abwesenheitszeit von mehr als 8 Stunden gewährt werden.
Mit Eingang beim LSG am 20.01.2016 hat der Antragsteller kommentarlos ein Schreiben seines Arbeitgebers vom 15.01.2016 vorgelegt, in dem Folgendes ausgeführt ist:
"Sehr geehrter Herr A.,
für den 21.10.2015 hatten wir Ihnen versehentlich Urlaub eingetragen. Dies ist nicht korrekt, da dieser Tag unbezahlt sein muss. Deswegen werden wir Ihnen rückwirkend den 21.10.2015 vom Gehalt abziehen.
Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Mit freundlichen Grüßen"
Auf Nachfrage der Kostenbeamtin, warum das vorgenannte Schreibens dem LSG zugeschickt worden sei, hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 12.02.2016 beanstandet, dass ihm keine Entschädigung für Verdienstausfall gewährt worden sei. Gleichzeitig hat er die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung beantragt.
Mit Schreiben des Senats vom 22.03.2016 sind dem Antragsteller die Voraussetzungen einer Entschädigung für Verdienstausfall erläutert worden; dabei ist erklärt worden, warum eine Bescheinigung, wonach nachträglich unbezahlter Urlaub eingetragen worden sei, an der Entschädigung nichts mehr ändern könne.
Der Senat hat die Akte des rentenversicherungsrechtlichen Verfahrens mit dem Aktenzeichen L 14 R 998/14 beigezogen.
II.
Die Entschädigung für das Erscheinen bei der Begutachtung am 21.10.2015 ist auf 108,50 € festzusetzen.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 12.02.2016 die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung beantragt.
1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antr...