Leitsatz (amtlich)

Keine Kostenerstattung für Sanoglobulin bei Multipler Sklerose - auch bei Kinderwunsch

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.07.2013; Aktenzeichen B 1 KR 123/12 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 3.2.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Kostenerstattungsanspruch für das selbst beschaffte Arzneimittel Sandoglobulin im Zeitraum von Dezember 2007 bis Februar 2009.

Die 1968 geborene Klägerin war bei der Beklagten in der Zeit vom 1.3.1993 bis zum 28.2.2009 pflichtversichert. Im September 2001 wurde bei der Klägerin eine multiple Sklerose (MS) diagnostiziert. Seit der Geburt ihres 2002 geborenen Sohnes erhielt die Klägerin monatlich intravenös verabreichte Immunglobuline, deren Kosten von der Beklagten bis einschließlich Dezember 2007 übernommen wurden. Die Klägerin befand sich in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum in einem klinisch stabilen Zustand. Weitere Schübe sind in dieser Zeit nicht aufgetreten. Bei der Klägerin bestand ein dringender weiterer Kinderwunsch. Im April 2006 und im Juni 2007 erlitt sie Fehlgeburten.

Mit Schreiben vom 11.12.2007 beantragte Prof. Dr. Dr. F., Facharzt für Neurologie, bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine am 1.12.2007 begonnene Immunglobulin-Therapie mit dem Arzneimittel Sandoglobulin. Das Arzneimittel war zugelassen für die Substitutionstherapie bei primären Immunmangelkrankheiten, Myelomen oder chronisch lymphatischer Leukämie mit schwerer sekundärer Hypogammaglobulinämie und rezidivierenden Infektionen, sowie bei Kindern mit angeborenem AIDS, für die Immunmodulation zu Behandlung Idiopathischer thrombozytopenischer Purpura (ITP), des Guillain-Barré Syndroms und des Kawasaki-Syndroms, nach allogener Knochenmarkstransplantation und zur Virusprophylaxe (Masernprophylaxe). Die Behandlung von MS gehörte nicht zu den zugelassenen Anwendungsgebieten. Das Arzneimittel Sandoglobulin wird mittlerweile nicht mehr produziert. Der Arzneimittelhersteller hat dieses Präparat durch das polyvalente intravenöse Immunglobulin Privigen ersetzt.

Prof. Dr. Dr. C. F. verordnete auf privatärztlichem Rezept am 6.12.2007 Sandoglobulin M Lsgm TRS N1 10 g und mit weiteren privatärztlichen Verordnungen vom 10.1.2008, 7.2.2008, 6.3.2008, 3.4.2008, 31.7.2008, 4.9.2008, 15.10.2008, 20.11.2008 und 20.12.2008. Die Rezepte vom 3.4.2008 (791,78 €), vom 6.3.2008 (791,78 €) und das Rezept vom 10.1.2008 (791,78 €) wurden in der Rosenapotheke A-Stadt jeweils zeitnah zur Verordnung eingelöst. Des Weiteren legte die Klägerin Rechnungen über den Kauf des Arzneimittels Sandoglobulin vom 11.12.2007, 16.1.2008, 15.2.2008, vom 14.3.2008 und vom 7.4.2008 vor. Darüber hinaus legte die Klägerin Rechnungen über den Verkauf von 2 x Sandoglobulin AMP 10 g 167ML vom 2.7.2008 und über den Verkauf des Arzneimittels Intratect INF 10 g 200 ML (2x) vom 15.4.2008 vor.

Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten beim MDK ein, der unter dem 11.1.2008 feststellte, dass die von den Gerichten aufgestellten Kriterien für einen Off-Label-Use nicht in vollem Umfang erfüllt seien. Die Krankheitsverläufe bei MS seien sehr unterschiedlich. Es handle sich nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit. Bei Fehlen von therapeutischen Alternativen bei bestehendem Kinderwunsch sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit sei es jedoch medizinisch nachvollziehbar, wenn eine MS-Schubprophylaxe mit intravenös verabreichten Immunglobulinen in Betracht gezogen werde.

Daraufhin lehnte die Beklagte am 24.1.2008 mit Schreiben an die Klägerin die Kostenübernahme für die Behandlung mit den begehrten Immunglobulinen ab. Zur Begründung verwies die Beklagte auf das Gutachten des MDK und stellte fest, dass die von den Gerichten aufgestellten Kriterien für eine Off-Label-Use nicht in vollem Umfang erfüllt seien. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und begehrte rückwirkend die Fortführung der früheren Kostenübernahme für ihre Multiple-Sklerose-Therapie mit dem Medikament Sandoglobulin. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.4.2008 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei ein Versicherter vor der Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des vertragsärztlichen Systems gehalten, seine Krankenkasse um Kostenübernahme zu bitten. Die Klägerin habe jedoch erst nach Beginn der Behandlung mit Immunglobulinen einen Antrag auf Kostenerstattung gestellt.

Dagegen hat die Klägerin zum Sozialgericht München Klage erhoben und vorgetragen, dass die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use erfüllt seien. Es habe bei der Klägerin wegen ihres Kinderwunsches keine alternativen Behandlungsformen gegeben. Es handle sich darüber hinaus nicht um eine erstmalige Antragstellung, sondern die Klägerin erhalte bereits seit Geburt ihres Sohnes 2002 monatlich intravenös Immunglobulin...

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