Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortgesetzte Anspruchseinschränkung wegen fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung
Leitsatz (amtlich)
Eine fortgesetzte Anspruchseinschränkung ist möglich, wenn die Pflichtverletzung fortbesteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung weiterhin vorliegen.
§ 1a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ergänzend die weiteren in §§ 3, 3a und 6 AsylbLG vorgesehenen Leistungen zu gewähren sind, allerdings nicht pauschaliert, sondern nur wenn dies nach der Bedarfssituation des Antragstellers geboten ist.
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 21. Januar 2022 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit ab 27.12.2021.
Die 1991 geborene Antragstellerin zu 1 ist nigerianische Staatsangehörige und die Mutter des 2017 geborenen Antragstellers zu 2 und des 2019 geborenen Antragstellers zu 3. Sie reiste im August 2017 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 08.01.2018 abgelehnt. Die Flüchtlingseigenschaft sowie der subsidiäre Schutzstatus wurden nicht zuerkannt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, und die Antragstellerin zu 1 wurde unter Abschiebungsandrohung nach Nigeria aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Die Antragstellerin zu 1 begab sich daraufhin mit dem Antragsteller zu 2 nach Frankreich und beantragte dort Asyl. Nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in den Niederlanden reisten sie am 14.11.2019 erneut nach Deutschland ein und stellte einen weiteren Asylantrag. Der Folgeantrag der Antragstellerin zu 1 und des Antragstellers zu 2 wurde mit Bescheid des BAMF vom 21.11.2019 als unzulässig abgelehnt. Gründe für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen nicht vor. Den Asylantrag des Antragstellers zu 3 lehnte das BAMF mit Bescheid vom 03.12.2019 ebenfalls ab. Auch für ihn wurde festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen. Eine Klage gegen die Ablehnung blieb ohne Erfolg (Urteil des VG Ansbach vom 12.03.2021). Die Antragsteller besitzen Duldungen für Personen mit ungeklärter Identität.
Seit Juli 2020 wohnen die Antragsteller in der ihnen zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft in A. Mit Bescheid vom 21.08.2020 bewilligte der Antragsgegner für die Zeit vom 14.08.2020 bis 31.12.2020 Grundleistungen nach dem AsylbLG in Höhe von monatlich 316 € für die Antragstellerin zu 1 und jeweils 218 € für die Antragsteller zu 2 und 3.
Bereits am 27.11.2019 wurde die Antragstellerin zu 1 von der J. - Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) - ausführlich über ihre ausländerrechtlichen Pflichten belehrt. U.a. wurde sie darauf hingewiesen, dass sie verpflichtet sei, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken, falls sie keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzen sollte. Insoweit sei sie verpflichtet, private Anstrengungen zur Identitätsklärung zu unternehmen, beispielsweise Dokumente über Verwandte im Heimatland zu beschaffen. Dieselbe Belehrung erfolgte jeweils mit der Verlängerung der Duldung. Mit Schreiben vom 25.08.2020 belehrte die ZAB die Antragstellerin zu 1 nochmals ausdrücklich über ihre ausländerrechtlichen Pflichten und forderte sie mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag unter Fristsetzung bis 06.10.2020 auf, einen Pass oder Passersatz bzw. Nachweise zu ihren Bemühungen um ein entsprechendes Dokument vorzulegen. Mit Schreiben vom 10.11.2020 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung erfüllt seien und gab ihr die Möglichkeit, bis 25.11.2020 einen Reisepass oder zumindest eine Bestätigung der Botschaft über die Beantragung eines Reisepasses bei der ZAB vorzulegen.
Nachdem die Antragstellerin den Aufforderungen nicht nachkam, hob der Antragsgegner mit Bescheid vom 25.11.2020 den Bewilligungsbescheid vom 21.08.2020 ab dem 01.12.2020 auf und schränkte die Leistungen für die Antragstellerin zu 1 in der Zeit vom 01.12.2020 bis zum 31.05.2021 nach § 1a AsylbLG ein. Den Antragstellern zu 2 und 3 wurden weiterhin uneingeschränkte Grundleistungen bewilligt. Widerspruch wurde gegen diesen Bescheid nicht eingelegt. Nach erneuter erfolgloser Aufforderung zur Vorlage eines Reisepasses oder einer Bestätigung der Botschaft schränkte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20.05.2021 die Leistungen für die Antragstellerin zu 1 nach § 1a AsylbLG in der Zeit vom 01.06.2021 bis zum 30.11.2021 erneut ein. Für die Antragstellerin wurden Leistungen für Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege in Höhe von 163 € monatlich bewilli...