Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Streitigkeit über die Ausstellung von Bescheinigungen im Zusammenhang mit den Pfändungsfreigrenzen nach § 850k ZPO. Zulässigkeit des Rechtswegs abhängig von der in Anspruch genommenen Stelle. Nichterhebung von Gebühren im Beschwerdeverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Für Streitigkeiten über die Ausstellung von Bescheinigungen nach § 850k Abs 5 S 2 ZPO zur Vorlage bei einem Kreditinstitut bestimmt sich der zulässige Rechtsweg danach, gegenüber welcher Stelle die Ausstellung geltend gemacht wird.
2. Einzelfall der Bestimmung, dass Gebühren für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben sind.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 08.04.2020 in der Fassung des Beschlusses vom 13.05.2020 bezüglich des zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner zu 1) schwebenden Rechtsstreit aufgehoben. Diesbezüglich ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zulässig. Die Streitsache wird an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht Detmold verwiesen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner zu 2) schwebende Rechtsstreit statt an das Amtsgericht Minden an das sachlich und örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht München verwiesen wird.
III. Der Beschwerdegegner zu 1) trägt bezüglich des zwischen ihm und dem Beschwerdeführer geführten Beschwerdeverfahrens die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers.
IV. Die Kosten des zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner zu 2) geführten Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtsgebühren werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) wendet sich gegen eine Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Minden - Vollstreckungsgericht.
Der am 15.10.1968 geborene Bf. begehrt von den Antrags- und Beschwerdegegnern zu 1) und zu 2) (Bg zu 1) und zu 2)) die Ausstellung einer Bescheinigung im Zusammenhang mit den Pfändungsfreigrenzen nach § 850k Zivilprozessordnung (ZPO). Er ist seit 09.05.2011 geschieden. Nach Aktenlage erhält er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 1.199,03 Euro (Stand Juli 2019).
Der Bf. stand beim Bg. zu 1) im Zeitraum vom 01.11.2014 bis 11.05.2017 im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Bg. zu 2) hatte in seiner Funktion als Jugendamt für die am 09.05.2004 geborene Tochter des Bf. in den Zeiträumen vom 01.05.2011 bis 01.04.2012 und vom 01.12.2014 bis 08.05.2016 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) gewährt. Für diese und für den am 13.05.2006 geborenen Sohn hat der Bf. soweit ersichtlich in den Jahren 2011, 2012 sowie 2015 bis 2017 mit Unterbrechungen Unterhalt in verschiedener Höhe geleistet, teilweise im Wege der Vollstreckung.
Am 23.03.2020 beantragte der Bf. beim Sozialgericht München die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz (Az.: S 37 AS 496/20 ER). Er beantrage den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Maßgabe, dass die Bg. dem Bf. die Pfändungsfreigrenze laut § 850k Abs. 2 Nr. 1b ZPO auch für seine beiden unterhaltspflichtigen Kinder bescheinigten zur Vorlage bei seiner Hausbank laut deren beigefügtem Vordruck.
Zur Begründung führte der Bf. aus, dass beide Bg. in der Vergangenheit mehrfach gegen ihn gepfändet hätten. Auch werde unter Bezug auf ein Verfahren vor dem Sozialgericht Detmold (S 19 AS 146/19) aktuell gemahnt bzw. eine Pfändung angedroht. Der Bf. habe am 13.01.2020 im Rahmen einer Auslandsreise einen lebensbedrohlichen Unfall gehabt. Gegen ihn sei auch ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden. Der Bf. habe bereits außergerichtlich erfolglos versucht, die gegenständliche Bescheinigung bei den Bg. einzuholen. Seine Hausbank verlange für die Einbuchung der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen auf dem Pfändungsschutzkonto eine Bescheinigung über die Unterhaltsverpflichtungen für seine beiden Kinder. Ferner hätten sich weder die Arbeitsagentur noch die Krankenversicherung oder auch die Rentenversicherung oder das örtliche Landratsamt in der Lage gesehen, die Bescheinigung auszustellen.
Mit Schreiben vom 25.03.2020 hörte das Sozialgericht die Beteiligten auf Grund des aktuellen Wohnsitzes des Klägers in A, Nordrhein-Westfalen, zu einer Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Detmold an. Hierzu wies der Bg. zu 1) mit Schreiben vom 25.03.2020 unter anderem darauf hin, dass wohl eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts bestehe und somit bereits keine sozialrechtliche Streitigkeit vorliege. Der Antrag des Bf. sei auch unbegründet, weil in der begehrten Bescheinigung nur die laufende Gewährung von Leistungen bestätigt werden könnte, der Bf. aber beim Bg. zu 1) derzeit nicht im Leistungsbezug sei. Der Bg. zu 2) erwiderte mit Schreiben vom 30.03.2020, dass der Bf. dort (Sozialamt) bisher weder bekannt sei noch ihm gegenüber Pfändungsmaßnahmen eingeleitet worden...