Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Negativer rechtswegübergreifender Kompetenzkonflikt
Leitsatz (amtlich)
Bei negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikten ist der Rechtsstreit dem Bundessozialgericht nur dann zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen, wenn beide Beschlüsse der beteiligten Gerichte mangels Anfechtung durch die Beteiligten rechtskräftig sind; im Übrigen entscheidet das Landessozialgericht durch deklaratorischen Feststellungsbeschluss.
Tenor
Es wird festgestellt, dass für den vorliegenden Rechtsstreit das Amtsgericht Minden durch Verweisung zuständig geworden ist.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Ast) begehrt von den Antragsgegnern und Beschwerdegegnern zu 1) und zu 2) (Ag zu 1) und zu 2) die Ausstellung einer Bescheinigung über die Pfändungsfreigrenzen nach § 850 k Zivilprozessordnung (ZPO).
Der 1968 geborene Ast bezog vom 01.11.2014 bis 11.05.2017 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Ag zu 1). Dieser fordert vom Ast SGB II-Leistungen in Höhe von 2.726,63 Euro zurück und hat mittlerweile auch die Zwangsvollstreckung eingeleitet. Nach den vorliegenden Akten wurden auch von der Agentur für Arbeit R-Stadt gegenüber dem Kläger Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet.
Am 23.03.2020 hat der Ast mit Wohnsitz in A-Stadt (Nordrhein-Westfalen) einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München beantragt. Er hat vorgetragen, dass er bereits außergerichtlich erfolglos versucht habe eine Bescheinigung über seine gültigen Pfändungsfreigrenzen bei den Ag einzuholen. Die Hausbank verlange im Rahmen ordnungsgemäßer Geschäftsführung für die Berücksichtigung der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen auf dem Pfändungsschutzkonto eine Bescheinigung über die Unterhaltsverpflichtungen für seine beiden Kinder.
Mit Schreiben des Sozialgerichts vom 25.03.2020 sind die Beteiligten auf Grund des aktuellen Wohnsitzes des Klägers in A-Stadt zu einer Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Detmold angehört worden.
Der Ag zu 1) hat mit Schreiben vom 25.03.2020 darauf hingewiesen, dass mit einer Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Detmold grundsätzlich Einverständnis besteht. Er hat jedoch zu bedenken gegeben, dass wohl eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts bestehe und somit bereits keine sozialrechtliche Streitigkeit vorliege.
Der Ag zu 2) hat mit Schreiben vom 30.03.2020 darauf hingewiesen, dass der Ast dort (Sozialamt) bisher nicht bekannt sei und keine Pfändungsmaßnahmen gegenüber dem Ast eingeleitet wurden.
Mit Beschluss vom 08.04.2020 hat sich das Sozialgericht München für sachlich und örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Hagen verwiesen. Bei der begehrten Ausstellung einer Bescheinigung gem. § 850 k Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b ZPO handle es sich nicht um eine sozialrechtliche Streitigkeit.
Das Amtsgericht Hagen hat die mit dem Verweisungsbeschluss übersandten Akten an das Sozialgericht München zurückgesandt mit dem Vermerk der Rechtspflegerin, dass das Zentrale Vollstreckungsgericht für Nordrhein-Westfalen beim Amtsgericht Hagen sachlich unzuständig sei. Für einen Antrag nach § 850 k ZPO sei gemäß § 828 ZPO das Vollstreckungsgericht bei dem Amtsgericht am Wohnort des Schuldners zuständig.
Das Sozialgericht hat daraufhin seinen eigenen Verweisungsbeschluss vom 08.04.2020 mit Beschluss vom 13.05.2020 abgeändert und den Rechtsstreit nun an das Amtsgericht Minden (Vollstreckungsgericht) verwiesen.
Mit Schreiben des Amtsgerichts Minden vom 10.07.2020 wurden die Akten erneut an das Sozialgericht München übersandt, mit dem Hinweis, dass eine sozialrechtliche Streitigkeit vorliege.
Mit Schreiben vom 22.07.2020 hat das Sozialgericht die Akten an das Amtsgericht Minden erneut zurückgesandt, mit dem Hinweis, dass der Verweisungsbeschluss bindend und eine Zurückverweisung an das verweisende Gericht ausgeschlossen sei.
Mit Schriftsatz vom 30.07.2020 hat der Bf Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Der Ast wendet sich nicht gegen die Verweisung an das Amtsgericht Minden, sondern macht geltend, dass er mangels eindeutiger gesetzlicher Zuständigkeit in seinen verfassungsrechtlichen Rechten (Bestimmtheitsgrundsatz, Rechtsstaatlichkeit) verletzt werde. Mit Schreiben vom 03.09.2020 hat der Ast Verzögerungsrüge erhoben. Auch in diesem Schreiben hat der Ast sich nicht gegen die Verweisung des Rechtsstreits gewandt, sondern eine zügige Sachentscheidung eingefordert.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
II.
Der angerufene Senat kann lediglich deklaratorisch feststellen, dass durch den Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts München vom 13.05.2020 die Zuständigkeit des Amtsgerichts Minden nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) begründet wurde. Eine konstitutive Bestimmung ist dem Senat bei negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikten nicht möglich. Insoweit fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Zuständigkeits...