Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Erinnerung gegen Kostenansatz. bindende Festlegungen im Hauptsacheverfahren: Gerichtskostenpflichtigkeit. Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Erinnerung nach § 66 Abs 1 S 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden.
2. Die im Hauptsacheverfahren getroffene Verfügung zur Anwendung des § 197a SGG ist einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen.
3. Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen bei Gericht ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen und bei Zweifeln von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen ist.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 25. September 2015 wird zurückgewiesen.
Gründe
Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung der Urkundsbeamtin in einem unfallversicherungsrechtlichen Rechtsstreit.
In dem unter dem Aktenzeichen S 5 U 5029/15 geführten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Regensburg (in der Folge: Hauptsacheverfahren) des jetzigen Beschwerdeführers verfügte der Richter der Hauptsache am 01.09.2015, dass die Klage als Verfahren gemäß § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu führen sei und der (vorläufige) Streitwert 1.200,54 € betrage.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 02.09.2015 erhob die Kostenbeamtin, ausgehend vom vorgenannten Streitwert, beim Beschwerdeführer Gerichtskosten in Höhe von 213,- €.
Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 08.09.2015 "Antrag auf Niederschlagung der Gerichtskostenfeststellung" gestellt. Seinen Antrag hat er damit begründet, dass er in der gleichen Sache, nur zu einem anderen Zeitraum, bereits ein Berufungsverfahren beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) anhängig habe.
Mit Beschluss vom 25.09.2015 hat das SG die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 02.09.2015 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 01.10.2015 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass es im bereits laufenden Berufungsverfahren um dieselbe Sache gehe, nur in einem anderen Zeitraum. Die Frage des anhängigen (Hauptsache-)Verfahrens, ob er ein landwirtschaftliches Unternehmen führe oder nicht, liege zurzeit vor dem LSG. Die Klageeinreichung vor dem SG sei nur zur Fristwahrung erfolgt.
II.
Die Beschwerde gegen die Erinnerung ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) zulässig. Sie ist aber unbegründet.
Das SG hat die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 02.09.2015 zu Recht zurückgewiesen.
1. Auslegung des Schreibens des Beschwerdeführers vom 08.09.2015 als Erinnerung.
Auch wenn der Beschwerdeführer im Schreiben vom 08.09.2015 explizit nur einen "Antrag auf Niederschlagung der Gerichtskostenfeststellung" gestellt hat, hat das SG diesen Antrag gleichwohl zutreffend (auch) als Erinnerung ausgelegt.
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen bei Gericht ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03).
Bei Beachtung dieser Vorgaben war das SG gehalten, das Schreiben des Beschwerdeführers vom 08.09.2015 auch als Erinnerung auszulegen, um dem Beschwerdeführer nicht das Rechtsmittel der Erinnerung zu verweigern.
2. Prüfungsumfang bei der Erinnerung
Die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Beschlüsse vom 13.02.1992, Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; BFH, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 14. Aufl. 2014, § 66 GKG, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen sind wegen der insofern eingetretenen Bestandskraft (§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 158 Verwaltungsgerichtsordnung bzw. § 68 Abs. 1 GKG) einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 18.12.2014, Az.: L 15 SF 322/14 E - m.w.N.). Gleiches ...