Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsminderung. Wohnsitz in Bosnien-Herzegowina. Deutsch-jugoslawisches Sozialversicherungsabkommen

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine deutsche Rente ist gem. § 43 SGB VI nicht deswegen zu gewähren, weil der Kläger in seiner Heimat Bosnien-Herzegowina bereits eine Invalidenrente bezieht. Der deutsche und der bosnische Rententräger entscheiden unabhängig voneinander nach den eigenen Vorschriften und sind an die Entscheidung des jeweils Anderen nicht gebunden. Das im Verhältnis zwischen Deutschland und Bosnien-Herzegowina fortgeltende deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.1968 sieht insoweit nichts Anderes vor.

 

Normenkette

SGB VI § 43

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18. Juli 2007 wird zurückgewiesen

II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1955 geborene, in Bosnien-Herzegowina lebende Kläger, der nach eigenen Angaben einen Beruf nicht erlernt hat, war in Deutschland zwischen Juni 1992 und Juni 1997 mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt. In seiner Heimat hatte er zuvor laut Bestätigung des bosnischen Versicherungsträgers Versicherungszeiten zwischen Oktober 1975 und Dezember 1993 sowie erneut von Februar 1999 bis Juli 2005 erworben. Seit dem 07.04.2005 bezieht er dort eine Invalidenpension.

Den am 21.07.2005 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2006 mit der Begründung ab, die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei zwar durch eine leichte Herzleistungsminderung nach Herzinfarkt bei coronarer Herzerkrankung, ein Schädel-Hirn-Trauma ohne bleibende neurologische Ausfälle sowie depressive Stimmung eingeschränkt, er könne jedoch mit dem verbliebenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Zugrunde lagen der Entscheidung das mit dem Rentenantrag übersandte Gutachten der Invalidenkommission in A-Stadt vom 23.05.2005 ("völlig und auf Dauer für seine Arbeit berufs- und arbeitsunfähig") sowie eine Stellungnahme des Prüfarztes Dr. D. vom 01.08.2006 dazu ("Leistungsvermögen in der letzten Tätigkeit als Fabrikarbeiter unter drei Stunden, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei leichten Arbeiten ohne Zwangshaltungen und ohne besonderen Zeitdruck sechs Stunden und mehr").

Im Widerspruchsverfahren, in dem der Kläger auf seinen schlechten Gesundheitszustand und die Berentung in seiner Heimat verwies, ermittelte die Beklagte vergeblich beim letzten Arbeitgeber des Klägers in Deutschland sowie beim Kläger selbst bezüglich der Qualität der in Deutschland ausgeübten Tätigkeiten. Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2007 zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht machte der Kläger geltend, keinen körperlichen Arbeiten mehr nachgehen zu können.

Das SG ließ den Kläger nach Übersetzung der im Gutachtensheft der Beklagten vorhandenen ärztlichen Unterlagen aus der Heimat des Klägers aus den Jahren 2004 und 2005 durch den Internisten Dr. P., den Orthopäden Dr. S. und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. R. untersuchen und begutachten. Dr. R. diagnostizierte beim Kläger einen Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 2001, ein psychovegetatives Syndrom sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen. Das Leistungsvermögen sah der Gutachter durch diese Gesundheitsstörungen nur qualitativ, nicht auch zeitlich eingeschränkt. Möglich seien unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtige Arbeitsleistungen bei leichten Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne Zwangshaltungen, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Nachtschicht. Das notwendige Anpassungs- und Umstellungsvermögen bejahte der Gutachter.

Der Orthopäde Dr. S. fand in seinem Gutachten vom 17.07.2007 bei dürftigen Vorbefunden in den Akten (lediglich ein Untersuchungsbericht vom 24.05.2006 mit Erwähnung von degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und an den Gelenken) "lediglich Hinweise auf mäßiggradig ausgebildete degenerative Veränderungen in der Wirbelsäule und in den Gelenken", aus denen sich nach seinen Darlegungen keinerlei quantitative oder qualitative Leistungsminderung ableiten ließ; im Vordergrund stünden beim Kläger vielmehr kardiale Erscheinungen.

Dr. P. erhob in seinem internistischen Gutachten nach Durchführung technischer Untersuchungen (Farb-Doppler-Echokardiographie, Abdomensonographie, Röntgenthorax in zwei Ebenen, Ruhe-Spirometrie, Ruhe-EKG, Belastungs-EKG am Ergometer, kap. Blutgase vor und nach Belastung, Laborparameter) die Diagnosen:

1. Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 2001,

2. psychovegetatives Syndrom,

3. degeneratives Wirbelsäulenleiden,

4. coronare Herzerkrankung mit laut anamnestischen Angaben durchgemachten Herzi...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge