Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung im sozialgerichtlichen Verfahren: Entstehen einer Erledigungsgesprächsgebühr bei einem außergerichtlichen (Einigungs-)Gespräch. Anforderungen an einen schriftlichen Vergleich
Leitsatz (amtlich)
1. Außergerichtliche (Einigungs-)Gespräche müssen bestimmten qualitativen Anforderungen genügen, um die Erledigungsgesprächsgebühr auszulösen. Sie müssen konkret an Umfang und Intensität einem Gerichtstermin gleichkommen.
2. Unter einem schriftlichen Vergleich im Sinne von Ziffer 3106 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. VV RVG ist nur ein nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG geschlossener Vergleich zu verstehen.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 25. Februar 2015 aufgehoben. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 30. September 2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdegegner nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist die Frage, ob eine Terminsgebühr zusteht.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (SG) Aktenzeichen S 9 AS 268/14 ging es um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Am 28.05.2014 erhoben die Kläger über ihren Bevollmächtigten, den Beschwerdegegner, Klage und beantragten die Gewährung von PKH. Diesem Antrag wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 08.07.2014 entsprochen; der Beschwerdegegner wurde beigeordnet.
Der Rechtsstreit endete durch Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs. Die außergerichtlichen Kosten wurden gegeneinander aufgehoben.
Am 30.07.2014 beantragte der Beschwerdegegner, seine Vergütung für das Klageverfahren in Höhe von 1.487,50 EUR festzusetzen. Im Einzelnen ging er von folgenden Kostenansätzen aus:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV, |
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Erhöhung um 1,2 (fünf Auftraggeber) |
660,00 EUR |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV |
270,00 EUR |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV |
300,00 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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1.250,00 EUR |
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV |
237,50 EUR |
Insgesamt |
1.487,50 EUR |
Mit Beschluss vom 30.09.2014 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG die dem Beschwerdeführer zu erstattenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 823,48 EUR, im Einzelnen wie folgt fest:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
210,00 EUR |
Erhöhungstatbestand Nr. 1008 VV RVG |
252,00 EUR |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG |
210,00 EUR |
Auslagenpauschale VV Nr. 7002 |
20,00 EUR |
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692,00 EUR |
19% Mehrwertsteuer VV Nr. 7008 |
131,48 EUR |
insgesamt |
823,48 EUR |
Zur Begründung führte der Urkundsbeamte aus, dass die (fiktive) Terminsgebühr im Hinblick auf die einschlägigen Entscheidungen der Rechtsprechung nicht angefallen sei.
Am 16.10.2014 hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt, soweit die Terminsgebühr nicht festgesetzt worden sei. Die vom Urkundsbeamten herangezogenen Entscheidungen seien auf Grund der Neufassung des RVG nicht mehr einschlägig. Der Beschwerdegegner hat auf Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG verwiesen. Alles spreche dafür, dass eine Terminsgebühr entstanden sei.
Im weiteren Verlauf des Erinnerungsverfahrens hat der Beschwerdegegner ergänzend darauf hingewiesen, dass er nach Erhalt des Vergleichsverschlags durch den Beklagten "die Angelegenheit fernmündlich mit der Sachbearbeiterin im Jobcenter erörtert" habe im Hinblick auf eine Erledigung des Verfahrens.
Mit angefochtenem Beschluss hat das SG am 25.02.2015 die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten vom 30.09.2014 dahingehend abgeändert, dass dem Beschwerdegegner insgesamt eine Kostenerstattung in Höhe von 1.048,39 EUR zustehe. Der Urkundsbeamte habe es zu Unrecht abgelehnt, eine fiktive Terminsgebühr anzusetzen. Diese sei vorliegend angefallen. Es sei nicht einzusehen, weshalb ein außergerichtlicher Vergleich, der in einem Sozialgerichtsverfahren ohne direkte Beteiligung des Gerichts in Schriftform abgeschlossen werde, nicht die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 1 Alternative 2 VV RVG n.F. auslösen solle. Auf den Wortlaut der Abschlussverfügung des Hauptsache Richters komme es wegen des Widerspruchs zu den tatsächlichen Vorgängen nicht an. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdegegner die Terminsgebühr auch gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG verdienen hätte können.
Am 06.03.2015 hat die Staatskasse hiergegen Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) erhoben. Zur Begründung hat sie vor allem hervorgehoben, dass ein schriftlicher Vergleich im Sinne von Nr. 3106 VV RVG nicht vorliege und dass die Terminsgebühr auch nicht gemäß der genannten Vorbemerkung VV RVG entstanden sei; an solche Besprechungen müssten bestimmte Qualitätsanforderungen gestellt werden.
Der Beschwerdegegner hat sich auf den Erinnerungsbeschluss des SG bezogen. Ergänzend hat er hervorgehoben, dass mit der Einführung des RVG die Gebührensituation der Rechtsanwaltschaft verbessert hätte werden sollen.
Im Übrigen wird ergänzend a...