Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Einstweiliger Rechtsschutz bei bindender Hauptsacheentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Der ausländische Elternteil eines minderjährigen ledigen Unionsbürgers ist nicht nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen, wenn er die Personensorge ausübt und das ausländische minderjährige Kind über den anderen Elternteil ein verfestigtes Aufenthaltsrecht besitzt.
Orientierungssatz
Bei einer bindenden Hauptsacheentscheidung ist ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig. Es gibt dann keine Rechtsposition, die bis zur bindenden Hauptsacheentscheidung vorläufig gesichert werden könnte (LSG München, 26. März 2014, L 7 AS 220/14 B ER).
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 19. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig sind im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (höhere) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Der 1977 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer zu 1 (in der Folge: Antragsteller) und die 1982 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin zu 2 (in der Folge: Antragstellerin) sind griechische Staatsangehörige und die nicht miteinander verheirateten Eltern der 2015 und 2017 geborenen Antragsteller und Beschwerdeführer zu 3 und 4 (in der Folge: Antragsteller zu 3 und 4). Die Antragsteller leben zusammen in einer Mietwohnung, für die sie eine monatliche Bruttowarmmiete iHv 655 € schulden. Der Antragsteller ist erwerbstätig mit einem monatlichen Nettoeinkommen von iHv rd 800 € bis rd 1 200 €. Die Antragstellerin bezieht neben dem Kindergeld für die Antragsteller zu 3 und 4 bis einschließlich Mai 2018 Elterngeld iHv 375 € monatlich. Sie schuldet für eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung 179,15 € monatlich. Insoweit teilte die Krankenversicherung mit Schreiben vom 21.3.2018 mit, dass Beitragsschulden für den Monat März 2018 iHv 179,15 € zzgl Mahnkosten bestehen. Die Antragsteller erhielten (mutmaßlich) im März 2018 eine Nebenkostenerstattung iHv rd 35 € sowie eine Einkommensteuererstattung iHv 462 €.
Auf den Leistungsantrag der Antragsteller aus Oktober 2017 bewilligte die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (in der Folge: Antragsgegnerin) dem Antragsteller und den Antragstellern zu 3 und 4 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.11.2017 bis 30.4.2018. Dabei rechnete sie auf den persönlichen Bedarf der genannten Antragsteller (jeweils Regelbedarf + 1/4 der tatsächlichen Unterkunftskosten) neben dem Kindergeld (bis März 2018 wohl auch Berücksichtigung einer verteilten Nachzahlung beim Antragsteller zu 3) das bereinigte Einkommen des Antragstellers jeweils anteilig an (monatliche Gesamtbewilligung im November und Dezember 2017 iHv 76,95 €, von Januar bis März 2018 iHv 84,95 € sowie für April 2018 iHv 212,95 €). Die Bewilligung von Leistungen für die Antragstellerin lehnte die Antragsgegnerin ab. Sie sei nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, da sie ihr Aufenthaltsrecht allein aus der Arbeitssuche ableite (Bescheid vom 5.2.2018). Ein Widerspruch ist nicht aktenkundig und nach telefonischer Auskunft der Antragsgegnerin bislang auch sonst nicht bei ihr eingegangen.
Bereits am 11.12.2017 ließen die Antragsteller durch ihre Bevollmächtigte beim Beklagten die Überprüfung sämtlicher Leistungsbescheide mit Geltungszeitraum ab Mai 2017, somit insbesondere die Bescheide vom 28.8.2017, 24.8.2017, 13.6.2017 und 15.9.2017 sowie mit Leistungszeitraum ab 1.11.2017, sofern hierüber bereits ein Bescheid ergangen ist, nach § 44 SGB X beantragen. Die Antragsgegnerin stellte fest, dass die Bescheide nicht zu beanstanden sind und es bei der ursprünglichen Entscheidung bleiben müsse (Bescheid vom 20.12.2017, Widerspruchsbescheid vom 1.3.2018). Die hiergegen erhobene Klage ist beim Sozialgericht Augsburg unter dem Az S 11 AS 296/18 rechtshängig.
Bereits am 19.1.2018 ließen die Antragsteller durch ihre Bevollmächtigte beim Sozialgericht Augsburg einstweiligen Rechtsschutz beantragen. Sie hielten an dem Antrag auch nach der Bewilligung vom 5.2.2018 im Hinblick auf den von der Antragsgegnerin angenommenen Leistungsausschluss der Antragstellerin fest. Das Sozialgericht lehnte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Die Antragstellerin sei von Leistungen unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt ausgeschlossen. Dies sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Schließlich könnten die Antragsteller auf Leistungen nach dem Wohngeldgesetz und Kinderzuschlag verwiesen werden, durch das sie ihre Hilfebedürftigkeit beenden könnten. Es bestehe auch kein Anordnungsgrund. Die Antragsteller könnten auf den Freibetrag auf das Erwerbeinkommen des Antragstellers verwiesen werden. Weiter stünde der Antragstellerin das Elterngeld zur Verfügung. Damit entstehe lediglich eine Bedarfsunterdeckung iHv 1...