Leitsatz (amtlich)

Zur Abgrenzung von Mietschulden iSd § 22 Abs 8 SGB II von den Kosten der Unterkunft und Heizung, die nach § 22 Abs 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen sind.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.04.2012 zu Punkt I. und II. wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller (ASt) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme von Mietschulden in Höhe von 10.594,67 Euro.

Der ASt bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zum 01.07.2006 bezog er eine Wohnung im K-Weg in A-Stadt. Die monatlichen Kosten der Unterkunft betrugen einschließlich der Vorauszahlungen für kalte und warme Nebenkosten 460.- € (Miete einschließlich KfZ- Stellplatz: 340,00 €; Nebenkostenvorauszahlung 50.- €; Heizkostenvorauszahlung 70.- €). In diesem Zusammenhang bewilligte der Antragsgegner (Ag) dem ASt für die Zeiträume vom 01.07.2006 bis 31.12.2011 lediglich die nach Auffassung des Ag angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 250.- € (einschließlich Nebenkosten) sowie eine Heizkostenpauschale in Höhe 54.- € monatlich für das Jahr 2006 sowie die tatsächlichen Heizkosten für die Zeit ab dem 01.01.2007. Klageverfahren (S 13 AS 308/05) in Bezug auf die Leistungszeiträume bis 30.06.2009 waren nur in Teilen erfolgreich (Nachzahlung von Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 01.07.2006 bis 30.06.2009: 858,48 €). Auf die Berufung des Klägers wurden ihm mit Urteil des Senates vom 20.12.2011 (L 11 AS 608/09) weitergehende Leistungen (Kosten der Unterkunft und Heizung) unter Berücksichtigung des Umstandes zugesprochen, dass der Ag die angemessenen Unterkunftskosten zwar nicht auf der Grundlage eines schlüssigen Konzeptes ermittelt habe, die erstattungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft (Miete einschließlich kalter Nebenkosten) jedoch auf die Tabellenwerte nach § 8 Abs 1 WoGG aF (bzw. für die Zeit ab dem 01.01.2009 § 12 Abs 1 WoGG nF) zuzüglich eines Zuschlages von 10vH (bis 31.12.2008: 292.-€; ab 01.01.2009: 322.- €) zu beschränken seien (Nachzahlung: 1.127,28 €). Über die hiergegen zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des ASt ist noch nicht entschieden. In Ausführung eines Unterwerfungsvergleichs vom 28.02.2011, den der ASt und der Ag vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) geschlossen hatten, zahlte der Ag für die Zeiträume vom 01.07.2009 bis 30.06.2011 Unterkunftskosten in Höhe von 366,60 € nach. Hinsichtlich des Bewilligungsabschnittes für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 ist noch eine Klage beim SG anhängig. Für die Zeit ab dem 01.01.2012 setzte der Ag bei Bewilligung der Unterkunfts- und Heizkosten das Urteil vom 20.12.2011 um (Bescheid vom 22.02.2012).

Mit Schreiben vom 31.01.2012 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis mit dem ASt fristlos. Seit dem Jahr 2006 seien auf Miet- und Mietnebenkosten Zahlungen in Höhe von 10.594,67 € rückständig. Die Wohnung sei bis zum 18.02.2012 zu räumen. Am 15.02.2012 beantragte der ASt beim Ag die zuschussweise Übernahme der rückständigen Zahlungen; hilfsweise sei ein Darlehen zu gewähren. Dies lehnte der Ag mit Bescheid vom 12.03.2012 ab. Der ASt habe über Jahre seine Unterkunftskosten nicht vollständig zahlen können, wobei ihm die Kostenunangemessenheit der Unterkunft bewusst gewesen sei. Er habe sehenden Auges die Anhäufung von Schulden für eine nicht erhaltenswerte Wohnung in Kauf genommen. Ein Bemühen, eine kostenangemessene Unterkunft anzumieten, habe er zu keiner Zeit erkennen lassen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Ag mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 zurück. Die Räumungsklage der Vermieterin vom 15.03.2012 wurde dem ASt am 05.04.2012 zugestellt.

Bereits am 12.03.2012 hat der ASt beim SG beantragt, den Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Übernahme der Mietschulden in Höhe von 10.594,67 € zu verpflichten. Er könne aus gesundheitlichen Gründen nicht umziehen. Der Ag habe zur Abwendung der Wohnungslosigkeit die Mietrückstände zumindest darlehensweise zu übernehmen. Im Hinblick auf die Räumungsklage stehe der Verlust der Wohnung unmittelbar bevor. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 16.04.2012 (Punkt I. des Tenors) abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Die Mietschulden seien nicht zu übernehmen, denn es drohe keine Wohnungslosigkeit iSd gesetzlichen Regelungen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der ASt vergeblich um eine andere, kostenangemessene Unterkunft bemüht hätte oder eine solche nicht zu bekommen wäre. Lediglich der drohende Verlust einer kostenangemessenen Wohnung bei fehlender Möglichkeit kostenangemessenen Ersatzwohnraum anzumieten, löse einen Anspruch auf Übernahme von Mietschulden aus. Zudem überschritten die Kosten der Unterkunft u...

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