Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung für Aufwand eines Verfahrensbeteiligten. Kosten der Begleitung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Notwendigkeit der Begleitung und der dabei entstandenen Kosten ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln.
2. Die Kosten einer Begleitung sind zu ersetzen, wenn entweder eine Anreise ohne Begleitperson mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel überhaupt nicht möglich oder zumutbar ist oder die Inanspruchnahme einer Begleitperson aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt ist oder dem Begleiteten ein Vertrauensschutz hinsichtlich der Begleitung zusteht.
3. Der zu Entschädigende kann im Rahmen von § 5 Abs. 1 und 2 JVEG nicht ein Transportmittel, das er nur mit Begleitung benutzen kann, auswählen und dann die Kosten der Begleitung im Rahmen des Entschädigungsanspruchs geltend machen, wenn ihm die Benutzung des anderen in § 5 genannten Verkehrsmittels möglich gewesen wäre.
4. Einen Vertrauenstatbestand kann nur das Gericht oder eine ihr zuzurechnende Person schaffen, nicht aber der behandelnde Arzt mit einem Attest.
Orientierungssatz
Im Rahmen der Entschädigung einer Prozesspartei für Fahrtkosten, die für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung entstanden sind, können bei Anreise mit einem eigenen PKW nicht nur die gefahrenen Kilometer für die kürzeste Strecke zugrunde gelegt werden, sondern grundsätzlich auch die Kilometer der schnellsten, wenn auch längeren Strecke.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 31. März 2016 wird dahingehend abgeändert, dass die Entschädigung für das Erscheinen beim Gerichtstermin am 22. September 2014 statt auf 77,50 € auf 79,50 € festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung. Streitig ist insbesondere der Ersatz von Kosten einer Begleitung zum Gerichtstermin.
In dem beim Sozialgericht (SG) Landshut unter dem Aktenzeichen S 15 SB 750/13 geführten schwerbehindertenrechtlichen Klageverfahren wurde die dortige Klägerin und jetzige Beschwerdeführerin am 22.09.2014 zuerst terminsärztlich begutachtet; anschließend nahm sie an der mündlichen Verhandlung teil. Die Untersuchung durch den Gutachter und die mündliche Verhandlung dauerten von 11.00 Uhr bis 14.35 Uhr.
Mit Entschädigungsantrag vom 16.10.2014 beantragte die Beschwerdeführerin die Entschädigung wegen des Gerichtstermins. Sie gab an, in Begleitung ihres Ehemanns angereist zu sein. Sie machte Fahrtkosten für 270 km, Zehrkosten von 30,- € und Verdienstausfall ihres Ehemanns in Höhe von 213,23 € für 9,75 ausgefallene Arbeitsstunden geltend. Vom Arbeitgeber des Ehemanns bestätigt, gab sie an, dass ihr Ehegatte unbezahlten Urlaub genommen habe. Die Notwendigkeit der Begleitung durch den Ehemann begründete sie mit einer ärztlichen Bescheinigung der praktischen Ärztin S. vom 21.08.2014, wonach sie unter starken Konzentrationsstörungen und einer ausgeprägten Lärmempfindlichkeit leide und dadurch "die Fahrtüchtigkeit ... erheblich eingeschränkt und Frau A. nicht zuzumuten" sei. Sie sei daher auf einen Fahrdienst, z.B. durch ihren Mann, angewiesen.
Auf Nachfrage der Kostenbeamtin teilte der Gutachter am 06.11.2014 mit, dass eine Begleitperson nicht notwendig sei, wenn dies nicht im Gutachten erwähnt werde. Das Gutachten vom 22.09.2014, in dem der Sachverständige zu der Einschätzung gekommen ist, dass der Grad der Behinderung bei der Beschwerdeführerin 50 betrage, enthält keine Aussagen zu der Notwendigkeit einer Begleitung.
Mit Schreiben der Kostenbeamtin vom 19.11.2014 wurde der Beschwerdeführerin eine Entschädigung in Höhe von 77,50 € (Fahrtkosten in Höhe von 65,50 € für 262 km, wie dies der Fahrtstrecke laut Routenplaner entspricht, und 12,- € Tagegeld) gewährt. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass der für den Ehemann geltend gemachte Verdienstausfall nicht übernommen werde, da der Sachverständige in seinem Gutachten keine Angaben zur Begleitperson gemacht habe bzw. die Notwendigkeit einer Begleitperson im Gutachten nicht erwähnt worden sei.
Mit Schreiben vom 01.12.2014 haben die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin für diese die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung mit dem Ziel beantragt, dass der Verdienstausfall des Ehemanns in Höhe von 213,23 € als Kosten einer notwendigen Begleitung entschädigt werde. Im Übrigen werde - so die Bevollmächtigten - die festgesetzte Entschädigung nicht beanstandet.
Der Umstand, dass der Gutachter keine Aussage über die Notwendigkeit einer Begleitperson getroffen habe, beinhalte - so die Bevollmächtigten - nicht, dass die Notwendigkeit nicht gegeben sei. Wie sich aus dem vorgelegten Attest ergebe, sei die Beschwerdeführerin auf einen Fahrer wie ihren Ehemann angewiesen. Es sei ihr wegen ihrer ängstlichen und selbstunsicheren Persönlichkeitszüge und der Beeinträchtigung der Gehirnfunktion mit seelischer Störung auch nicht zuzumut...