Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines Beteiligten. Voraussetzungen für die Erstattung von Aufwendungen für eine Begleitperson. Nachweis barer Auslagen und eines Geldflusses. Besonderheit bei Begleitung durch den Ehepartner. Obergrenze. Fahrtkostenersatz. angegebene Fahrtstrecke. Routenplaner. schnellste Strecke
Leitsatz (amtlich)
1. Der Ersatz von Aufwendungen für eine Begleitung verlangt grundsätzlich "bare Auslagen" des Zeugen/Beteiligten und damit den Nachweis eines Zahlungsflusses.
2. Von diesem Grundsatz ist jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn die Begleitung durch den Ehepartner erfolgt ist. Dies gebietet der grundgesetzlich verbürgte Schutz von Ehe und Familie gemäß Art 6 Abs 1 GG. Es reicht wegen der familiären Beziehungen aus, wenn nur dem Begleiter Kosten durch die Begleitung entstanden sind.
3. Begrenzt ist die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Begleitung durch den Gesichtspunkt der objektiven Notwendigkeit der Kosten und damit durch den finanziellen Aufwand, der bei einer An- und Abreise zum gerichtlichen Termin mit einem Taxi entstanden wäre.
4. Übersteigt die Angabe des Antragstellers zur gefahrenen Strecke die Entfernung, wie sie sich bei Zuhilfenahme von im Internet jedermann zugänglichen Routenplanern ergibt, deutlich, ist dem Fahrtkostenersatz die dem Routenplaner entnehmbare Streckenlänge zur schnellsten Route ohne einen Toleranzaufschlag zugrunde zu legen.
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung der Kosten und wirtschaftlichen Nachteile, die dem begleitenden Ehepartner durch die Begleitung entstanden sind, kann - wenn ein Verdienstausfall geltend gemacht wird - nicht auf § 22 JVEG abgestellt werden (entgegen LSG Erfurt vom 25.5.2011 - L 6 SF 152/11 E).
2. Zur Erstattung der Verpflegungskosten des begleitenden Ehepartners.
3. Die Berücksichtigung einer Entschädigung für Zeitversäumnis iS des § 20 JVEG kommt für eine Begleitperson nicht in Betracht.
Normenkette
JVEG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1, §§ 20, 22; EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a; GG Art. 6 Abs. 1; BGB §§ 1353, 1618a; SGG §§ 183, 191
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 15.04.2015 wird auf 109,30 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung.
In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen geführten Berufungsverfahren nahm der Antragsteller nach Anordnung des persönlichen Erscheinens am 15.04.2015 an einer auf 10.45 Uhr terminierten mündlichen Verhandlung teil. Die mündliche Verhandlung dauerte von 11.06 Uhr bis 12.03 Uhr. Angereist war der Antragsteller in Begleitung seiner Ehefrau.
Mit Entschädigungsantrag vom 15.04.2015 beantragte der Antragsteller die Entschädigung wegen des Termins der mündlichen Verhandlung. Er machte Fahrtkosten für 364 km, eine Parkgebühr von 3,- €, Kosten für ein Attest vom 17.04.2015, in dem der Hausarzt des Antragstellers diesem bescheinigte hatte, dass er wegen einer Operation am 11.03.2015 einer Begleitperson bedurft habe, in Höhe von 10,- €, Zehrkosten von 25,60 € und Verdienstausfall seiner Ehefrau geltend. Im Antrag vom 15.04.2015 gab er an, dass seine Ehefrau Gleitzeit/bezahlten Urlaub genommen habe. Er sei um 7.30 Uhr von zu Hause weggefahren und um 16.30 Uhr zurückgekommen, dabei sei er 1,5 Stunden im Stau gestanden.
Auf Nachfrage der Kostenbeamtin genehmigte der Hauptsacherichter am 08.06.2015 die Begleitung des Antragstellers zur mündlichen Verhandlung durch seine Ehefrau.
Mit Schreiben der Kostenbeamtin vom 22.07.2015 wurde dem Antragsteller eine Entschädigung in Höhe von 111,- € (Fahrtkosten in Höhe von 84,- € für 336 km, 3,- € Parkgebühr, zweimal 12,- € Tagegeld) gewährt. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass eine Erstattung der Kosten für das Attest nicht erfolgen könne, da das LSG dieses nicht angefordert habe. Ein Ersatz für Verdienstausfall der Ehefrau sei nicht möglich, da diese bezahlten Urlaub/Gleitzeit genommen habe und somit kein Verdienstausfall entstanden sei.
Gegen diese Abrechnung hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 30.07.2015 gewandt. Seine Ehefrau - so der Antragsteller - sei gezwungen gewesen, Urlaub zu nehmen. Er habe ein "Gutachten vom Arzt" vorgelegt. Er habe beim LSG nachgefragt, sonst wäre er nicht zur Verhandlung erschienen. Das Urteil habe bereits vor der Verhandlung festgestanden. Von den Gerichten werde man "wie Dreck" behandelt.
Mit Schreiben des Kostensenats vom 23.09.2015 ist dem Antragsteller ausführlich die Sach- und Rechtslage erläutert worden; einschlägige Rechtsprechung ist zitiert worden. Eine Entschädigung für Verdienstausfall komme nicht in Betracht, da seine Ehefrau am Tag der Gerichtsverhandlung nach eigenen Angaben den gleichen Lohn erhalten habe wie an einem normalen Arbeitstag.
Der Antragstelle...