Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenentscheidung. Erfolgsprinzip. Ausnahme bei Veranlassung zur Klageerhebung
Leitsatz (amtlich)
1. Maßgeblich für die Kostentragung ist grundsätzlich das Erfolgsprinzip. Ausnahmsweise ist eine Korrektur durch das Veranlassungsprinzip möglich.
2. Auch bei einer letztlich erfolglosen Klage kann eine teilweise Kostentragung des Beklagten angezeigt sein, wenn dieser durch rechtlich unzutreffende Hinweise beim Kläger die Erwartung geweckt hat, ihm stehe ein Anspruch auf die begehrte Leistung zu und ihn dadurch zur Klageerhebung veranlasst hat.
Tenor
Die Beklagte hat der Klägerin ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig in der Hauptsache war die (dauerhafte) Versorgung der mehrfachbehinderten Klägerin mit dem Steh- und Bewegungstrainer Innowalk.
Gegen das erstinstanzliche, eine Versorgung zusprechende Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.10.2017 legte die Beklagte Berufung ein. In der mündlichen Verhandlung vom 22.08.2019 wurde das Berufungsverfahren vergleichsweise dahingehend erledigt, dass die Beklagte die Klägerin zusätzlich zu einem am 02.07.2019 bewilligten Stehtrainer mit einem Bewegungstrainer versorge, wie dies bereits erstinstanzlich angeboten worden war.
Im Rahmen des (zunächst widerruflich geschlossenen, dann aber nicht widerrufenen - Mitteilung des Bevollmächtigten der Klägerin vom 17.09.2019) Vergleichs haben die Beteiligten eine Kostenentscheidung des Gerichts beantragt.
II.
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss über die Kostenerstattung, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Eine Kostenentscheidung durch das Gericht ist vorliegend nicht wegen § 195 SGG entbehrlich, da die Beteiligten die Kostenfrage ausdrücklich vom Vergleich ausgenommen und eine Entscheidung des Gerichts beantragt haben. Im Sinne der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung und mangels Anhaltspunkten, wonach die Beteiligten eine Kostenentscheidung nur für das Berufungsverfahren beantragt hätten, entscheidet der Senat über die gesamten außergerichtlichen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.
Die Kostenentscheidung trifft das Gericht nach sachgerechtem Ermessen. Dabei sind der Ausgang des Verfahrens sowie sonstige kostenrechtlich erhebliche Umstände des Verfahrens zu berücksichtigen.
In der Regel ist die Kostenentscheidung nach den Grundsätzen des sogenannten Erfolgsprinzips zu treffen. Zu begründen ist dies damit, dass es grundsätzlich der Billigkeit entspricht, wenn die Kostentragung durch den Ausgang des Verfahrens bestimmt wird. Dies bedeutet, dass die in der Sache voll unterliegende Partei grundsätzlich auch die Kosten voll zu tragen hat. Bei nur teilweisem Erfolg der Klage bzw. Berufung ist nur ein Teil der Kosten zu erstatten. Die Quote der Kostenerstattung ist unter Berücksichtigung des Klage-/Berufungsantrags bzw. des Klage-/Berufungsbegehrens sowie des Zeitpunkts und des Umfangs des Erreichten zu ermitteln. In Ausnahmefällen kann das Veranlassungsprinzip als Korrektiv des grundsätzlich maßgeblichen Erfolgsprinzips herangezogen werden (vgl. zu allem Bayer. Landessozialgericht - LSG -, Beschlüsse vom 02.07.2012, L 15 SB 36/09, und vom 29.11.2017, L 20 VG 21/17 - jeweils m.w.N.).
Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze hält der Senat eine Kostentragung der Beklagten zu einem Drittel für angemessen.
Mit dem Vergleich hat die Klägerin ihr Ziel einer Versorgung mit dem Hilfsmittel Innowalk nicht, auch nicht teilweise, erreicht. Die im Vergleich zugesprochene Versorgung beinhaltet auch keinen teilweisen Erfolg in der Sache, weil die Klägerin gerade die Versorgung mit dem Innowalk als einziges Trainingsgerät anstatt zweier getrennter Geräte in Form eines Stehtrainers einerseits und eines Bewegungstrainers andererseits begehrt hat; die Notwendigkeit einer Hilfsmittelversorgung an sich war unstreitig. Das Erfolgsprinzip würde daher dafür sprechen, dass die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten vollständig selbst zu tragen hat.
Vorliegend ist aber eine Ausnahme vom Erfolgsprinzip zu machen, da das Veranlassungsprinzip eine Korrektur des aus dem Erfolgsprinzip resultierenden Ergebnisses geboten erscheinen lässt. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch ihr eigenes Verhalten der Klägerin Anlass für berechtigte Erwartungen auf eine Versorgung mit dem Innowalk gemacht hat, zum anderen, dass die Beklagte den maßgeblichen Gesichtspunkt, der einer Versorgung der Klägerin mit dem Innowalk entgegensteht, erstmals im Berufungsverfahren vorgebracht und so die Erwartungen der Klägerin auf eine Versorgung mit dem Innowalk weiterhin aufrechterhalten hat.
Im Einzelnen stützt sich der Senat auf folgende Gesichtspunkte:
* Die Beklagte weckte bei der Klägerin - wie sich erst später herausgestellt hat, unberechtigte - Erwartungen auf eine Versorgung mit dem Innowalk durch die Beklagte für den Fall, dass ...