Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Aufhebung eines Verwaltungsaktes. Nichtzulassungsbeschwerde. gesetzliche Rentenversicherung. Begrenzung des Nachzahlungsbetrags
Leitsatz (amtlich)
Eine Begrenzung des Nachzahlungsbetrags auf die Höhe des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Teils des Arbeitsentgelts kommt nur in Betracht, wenn sich der Rentenversicherungsträger allein auf § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 beruft. Diese Begrenzung gilt nicht, wenn die Aufhebung des Verwaltungsaktes auch auf § 48 Abs 1 S 2 Nr 2 oder 4 SGB 10 gestützt wird.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.08.2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Teilaufhebung eines Rentenbewilligungsbescheids und die Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung überzahlter Leistungen.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 16.06.2004 Altersrente für Frauen ab dem 01.09.2004 (neu festgestellt durch Bescheide vom 23.11.2004 und 28.01.2005). Die Bescheide enthielten jeweils den Hinweis auf die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen. Aufgrund eines Hinweises der Krankenkasse ermittelte die Beklagte im April 2008 die Höhe des von der Klägerin seit 01.09.2004 erzielten Arbeitsentgeltes und stellte nach Anhörung vom 27.05.2008 eine Überzahlung der Altersrente in Höhe von 450,87 EUR fest und forderte diesen Betrag zurück (Bescheid vom 27.06.2008). In den Monaten September 2005, Dezember 2006 und Dezember 2007 habe das Arbeitsentgelt der Klägerin die Hinzuverdienstgrenze jeweils zum dritten Male innerhalb des Kalenderjahres überschritten. In diesen Monaten sei nur eine Teilrente in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente zu zahlen gewesen.
Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.10.2008). Der Bescheid vom 27.06.2008 sei zu Recht ergangen, insbesondere seien die Tatbestandsvoraussetzungen der Nrn 2, 3 und 4 des § 48 Abs 1 S 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sämtlich erfüllt. Umstände, die die Annahme einer atypischen Fallgestaltung rechtfertigten, seien nicht erkennbar. Ermessen sei daher nicht auszuüben, allerdings bestünde auch bei Annahme eines atypischen Falles keine Veranlassung, von einer rückwirkenden Bescheidaufhebung abzusehen.
Zur Begründung der hiergegen zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhobenen Klage hat die Klägerin beanstandet, die Beklagte habe die Jahresfrist zur Aufhebung der Rentenbescheide nicht eingehalten und kein Ermessen ausgeübt. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.03.1995 (13 RJ 39/94) könne nur eine Überzahlung in Höhe des tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteils (hier: 9,51 EUR) zurückgefordert werden. Auch nach einer Vereinbarung der Rentenversicherungsträger vom 22./23.11.2006 sei im Rahmen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X die Aufhebung auf den schädlichen Mehrverdienst zu beschränken (Hinweis auf Arbeitstagung 2/2006 der Beitrags- und Rentendezernenten von Rentenversicherungsträgern in Braunschweig).
Mit Gerichtsbescheid vom 20.08.2009 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Es hat sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides gestützt und ergänzend ausgeführt, dass die Beklagte die Fristen nach § 48 Abs 4 SGB X zur Aufhebung - beginnend entweder mit Anhörung im Mai 2008 oder mit Zugang des Hinweises der Krankenkasse (Datensatzmeldung vom 21.04.2008) - gewahrt habe. Insoweit sei nicht auf die Jahresmeldungen des Arbeitgebers abzustellen. Aus diesen sei nicht erkennbar, ob und in welchen Monaten eine Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen stattgefunden habe. Mit der genannten Entscheidung vom 23.03.1995 habe das BSG klargestellt, dass neben einer auf den wirtschaftlichen Vorteil beschränkten Rückforderung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X eine weitergehende Rückforderung nach Maßgabe der Nrn 2 und 4 des § 48 Abs 1 S 2 SGB X möglich sei. Die Beklagte habe die Aufhebung- und Rückforderungsentscheidung zutreffend auch auf die Regelungen der Nrn 2 und 4 dieser Vorschrift gestützt. Von einem Ermessensausfall oder -fehlgebrauch könne keine Rede sein, weil es nicht um eine atypische Fallgestaltung gehe. Das von der Klägerin ebenfalls zitierte Urteil des Bayer. LSG vom 18.02.1998 (L 1 RA 100/95) beziehe sich auf einen vollständig anderen Sachverhalt (Rücknahme nach § 45 SGB X mit gesetzlich vorgeschriebener Ermessensausübung).
Mit der dagegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde hat die Klägerin vorgetragen, das SG weiche von der Entscheidung des BSG vom 23.03.1995 ab. Das BSG habe entschieden, dass der Verwaltungsakt nur insoweit aufzuheben sei, als der schädliche Mehrverdienst die Hinzuverdienstgrenze übersteige. Des Weiteren sei auch eine Abweichung zur Rechtsprechung des Bayer. LSG vom 18.02.1998 festzustellen, nach der das Bayer. LSG der genannten Rechtsprechung des BSG zur Anwendung des SGB X bei Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen gefolgt sei. Auch gehe das SG in...