Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Rechtsschutzinteresse. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsvereinbarung. Ersetzungsbescheid mit Sanktionsandrohung für den Fall von Pflichtverletzungen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs 1 S 6 SGB 2 ist sofort vollziehbar nach § 39 Nr 1 SGB 2. Einstweiliger Rechtsschutz gegen Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt ist durch Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG zu suchen.
2. Der Betroffene begehrt, dass das Gericht die Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt vorläufig "auf Eis legt" und damit Sanktionen nach §§ 31 ff SGB 2 von vornherein unterbunden werden. Sanktionen sind im strittigen Bescheid aber nicht enthalten. Der Betroffene begehrt somit vorbeugenden Rechtsschutz gegen möglicherweise eintretende Sanktionen.
3. Für vorbeugenden Rechtsschutz ist ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse erforderlich, das insbesondere beinhaltet, dass der Betroffene nicht auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Es ist regelmäßig nachträglicher Rechtsschutz gegen die Sanktion möglich und ausreichend. Einstweiliger Rechtsschutz hat grundsätzlich nicht die Aufgabe, Rechtsfragen zu beantworten, die mit einer gegenwärtigen Notlage nichts zu tun haben.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 6. November 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Verwaltungsakt, durch den eine Eingliederungsvereinbarung ersetzt wurde (Eingliederungsverwaltungsakt).
Die 1979 geborene Antragstellerin bezieht seit 01.01.2005 Arbeitslosengeld II, davor Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 31.05.2012 und Bescheid vom 03.12.2012 wurde der Antragstellerin bis einschließlich Mai 2013 Arbeitslosengeld II in ungekürzter Höhe bewilligt.
Ende August 2012 wurde der Antragstellerin eine Eingliederungsvereinbarung vorgelegt. Sie wollte diese nicht sofort unterschreiben. Mit Schreiben vom 12.09.2012 forderte der Antragsgegner der Antragstellerin unter Fristsetzung zum 26.09.2012 erfolglos auf, die Eingliederungsvereinbarung nunmehr zu unterschreiben.
Mit Bescheid vom 02.10.2012 erließ der Antragsgegner den strittigen Eingliederungsverwaltungsakt mit einer Gültigkeitsdauer vom 02.10.2012 bis 28.02.2013. Darin verpflichtete sich der Antragsgegner, Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, das Bewerberprofil der Antragstellerin unter www.arbeitsagentur.de aufzunehmen und Bewerbungskosten (maximal 72,- Euro je Quartal für 24 Bewerbungen) sowie Fahrkosten nach vorherigem gesondertem Antrag entsprechend den gesetzlichen Regelungen zu übernehmen. Die Antragstellerin wurde verpflichtet, ihre Erreichbarkeit sicherzustellen, Vermittlungsvorschlägen innerhalb von drei Tagen nachzukommen, sich auf zumutbare Arbeitsstellen bis zu einer einfachen Entfernung von 35 km zum Arbeitsort zu bewerben und monatlich mindestens drei Bewerbungen durch eigene Bemühungen nachzuweisen. Beigefügt war eine Rechtsfolgenbelehrung, in der Sanktionen bei Verstößen gegen die in der "Eingliederungsvereinbarung" genannten Pflichten dargestellt wurden. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war nicht enthalten.
Die Antragstellerin legte am 22.10.2012 Widerspruch gegen den Bescheid ein, über den noch nicht entschieden ist.
Am 24.10.2012 stellte die Antragstellerin beim Sozialgericht Regensburg ausdrücklich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Die Erstattung der Bewerbungs- und Reisekosten sei nicht hinreichend bestimmt geregelt. Eine persönliche Erreichbarkeit sei nicht erforderlich, es genüge die postalische Erreichbarkeit. Der Tagespendelbereich von 35 km sei unzumutbar. Die Ortsabwesenheit dürfe nicht durch Eingliederungsverwaltungsakt geregelt werden. Die Veröffentlichung des Bewerberprofils verletzte die informationelle Selbstbestimmung. Die Rechtsfolgenbelehrung sei fehlerhaft. Es fehle an einer Begründung des Verwaltungsaktes.
Mit Beschluss vom 06.11.2012 lehnte das Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab. Der Widerspruch gegen den Eingliederungsverwaltungsakt habe gemäß § 39 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung. Die gerichtliche Entscheidung erfolge aufgrund einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung. Bei der Interessenabwägung sei neben den Erfolgsaussichten in der Hauptsache von besonderer Bedeutung, ob eine Dringlichkeit für das im Eilverfahren erhobene Begehren vorliege. Nach BayLSG, Beschluss vom 14.11.2011, L 7 AS 693/11 B ER sei es grundsätzlich nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes, Rechtsfragen zu beantworten, die mit einer gegenwärtigen Notlage nichts zu tun haben. Hi...