Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruchseinschränkung von Leistungen an Asylsuchende

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Eilrechtsschutz bei Bewilligung von eingeschränkten Leistungen ohne vorherige, höhere Leistungsgewährung richtet sich allein nach § 86b Abs 2 SGG.

2. Zu den Anforderungen an eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs 7 AsylbLG.

 

Normenkette

AsylbLG § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 1a, 5, § 1a Abs. 1, 7, § 3 Abs. 1-2, § 3a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Nr. 5, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b Nr. 5, § 10 S. 1, § 10a Abs. 1, § 11 Abs. 4 Nr. 2; AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 6, § 34a Abs. 1 S. 1, Abs. 2; DV AsylbLG (Bayern) § 12 Abs. 1; DV AsylbLG (Bayern) § 12 Abs. 2 Nr. 2; DV AsylbLG (Bayern) § 19 Abs. 1; BayLKrO Art. 4, 6; BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 35; AufnG Art. 8 Abs. 1 S. 1; SGB X § 23 Abs. 1 S. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1-2, § 73a Abs. 1 S. 1, § 86a Abs. 2 Nr. 4, § 86b Abs. 1, 2 S. 4, § 99 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 123, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 173 Abs. 3 Nr. 1, § 202 S. 1; ZPO §§ 114, 294 Abs. 1, § 920 Abs. 2, § 938 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird unter Abänderung der Ziffern I. und II. des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 11. November 2022 der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, für die Zeit vom 20. Oktober 2022 bis zum 31. Januar 2023 unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen dem Antragsteller zu 1. Grundleistungen nach Bedarfsstufe 2 und dem Antragsteller zu 2. Grundleistungen nach Bedarfsstufe 5 zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat drei Fünftel der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.

III. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin B, B-Stadt, beigeordnet.

 

Gründe

I.

Streitig sind im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der Antragsteller zu 1 (ASt 1) und sein Sohn, der Antragsteller zu 2 (ASt 2), ihren Angaben zufolge 1986 bzw. 2012 geboren und afghanische Staatsangehörige, reisten erstmals am 22.01.2022 nach Deutschland ein und beantragten Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte mit Bescheid vom 24.05.2022 die Asylanträge als unzulässig ab, weil gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Dublin III-Verordnung) Italien für das Asylverfahren zuständig sei. Auf ein Übernahmeersuchen habe dieses Land nicht fristgemäß geantwortet, so dass die Zuständigkeit mit Ablauf des 10.05.2022 auf Italien übergegangen sei. Ferner wurde festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote vorlägen, und die Abschiebung der ASt nach Italien angeordnet. Dagegen wurde kein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, jedoch zum Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg Klage erhoben (Verfahren W 1 K 22.50211). In diesem Verfahren hat das BAMF inzwischen mit Schriftsatz vom 18.11.2022 erklärt, dass der Bescheid vom 24.05.2022 insgesamt aufgehoben werde, weil die Überstellungsfrist abgelaufen sei, und dass die Entscheidung nunmehr im nationalen Verfahren ergehe.

Die ASt waren zunächst in einer Ankereinrichtung im Landkreis B-Stadt untergebracht und erhielten dort Leistungen für die Zeit bis 31.07.2022. Seit 13.07.2022 sind sie einer dezentralen Asylbewerberunterkunft im Gebiet des Antragsgegners (Ag) zugewiesen (Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 07.07.2022).

Mit Schreiben vom 15.07.2022 hörte der Ag die ASt zu einer beabsichtigten Leistungseinschränkung an. Der Asylantrag der ASt sei als unzulässig abgelehnt worden und die ASt seien vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Ihnen stünden daher nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege zu. Diese Leistungen würden als Sachleistungen in Form von Warengutscheine gewährt. Der Bedarf an Unterkunft und Heizung werde als Sachleistung sichergestellt. Die ASt könnten sich bis 28.07.2022 äußern.

Unter dem 18.07.2022 reichten die ASt einen Formularantrag auf Leistungen nach dem AsylbLG ein, in dem sie Grundleistungen beantragten. Daraufhin forderte der Ag noch weitere Unterlagen von den ASt an und wies auf die Möglichkeit der Versagung von Leistungen hin (Schreiben vom 19.07.2022).

Die ASt gaben an, dass sie in Italien von der Polizei aufgegriffen worden seien. Aus Angst seien sie nach Deutschland weitergereist. Aktuell sei die gesundheitliche Verfassung des ASt 1 so schlecht, dass er nicht ausreisefähig sei.

Der Ag händigte den ASt für August 2022 Gutscheine für Gesundheitspflege, Körperpflege und Lebensmittel über zusammen 278,50 EUR aus (Schreiben vom 11.08.2022).

Mit Bescheid vom 02.09.2022 (zugestellt am 07.09.2022) schränkte der Ag die Grundleistungen an die ASt für die Zeit von August 2022 bis Januar 2023 ein und übernahm die Kosten bei akuten Erkrankungen. Leistungsberechtigte wie die ASt, deren A...

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