Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Verbandsmitgliedschaft. Vereinigungsfreiheit. Bewilligung nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens. Kostenerstattung durch die Staatskasse

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die bloße Mitgliedschaft in einer Organisation i.S.v. § 73 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 ff. SGG – hier VdK – stellt noch keine vermögenswerte Position dar, die zu einer Ablehnung der PKH führt. Eine Ablehnung von PKH in diesen Fällen würde zu einer Beeinträchtigung der Vereinigungsfreiheit führen. Ein Ausschluss der Gewährung von PKH erfolgt nur bei tatsächlich bestehender Verbandsvertretung.

2. Die Bewilligung von PKH ist ausnahmsweise auch nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens möglich, wenn ein Gericht einem Rechtssuchenden die Möglichkeit abschneidet, seine Entscheidung durch ein Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen, bevor über die Sache, für deren Durchführung die Entscheidung begehrt worden ist, entschieden ist.

3. Die Beschwerde gegen einen Beschluss, der einen Antrag auf PKH ablehnt, ist eine besondere Angelegenheit i.S.v. § 18 Nr. 5 RVG. § 127 Abs. 4 ZPO steht einer Pflicht der Staatskasse zur Kostenerstattung nicht entgegen.

 

Normenkette

SGG § 73a Abs. 2, § 73 Abs. 2 S. 2; GG Art. 9; RVG § 18 Nr. 5; ZPO § 127 Abs. 4

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 21.08.2008 aufgehoben.

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung ab 16.01.2008 bewilligt und Rechtsanwalt M., B-Stadt beigeordnet.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Beschwerdeverfahren werden auf die Staatskasse übernommen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Aufhebung des ablehnenden Prozesskostenhilfe-Beschlusses des Sozialgerichts (SG) B-Stadt vom 21.08.2008, die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung des Rechtsanwalts M..

Die Beteiligten stritten vor dem SG in der Hauptsache darüber, ob der Klägerin eine Erwerbsminderungsrente zusteht. Die Klägerin hatte am 17.07.2006 Klage gegen die ablehnenden Rentenbescheide der Beklagten erhoben. Ihr Bevollmächtigter, der Sozialverband VdK, hat die Klage mit Schreiben vom 28.07.2006 begründet. Mit Schreiben vom 09.03.2007 hat der jetzige Bevollmächtigte, Rechtsanwalt M., mitgeteilt, die Klägerin habe ihn gebeten, das Mandat zu übernehmen. Am 19.03.2007 hat der VdK dem SG die Beendigung seines Mandates angezeigt. Am 16.01.2008 hat der Bevollmächtigte der Klägerin unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlich Verhältnisse beantragt, der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihn beizuordnen. Das SG lehnte die Gewährung von PKH mit Beschluss vom 21.08.2008 ab. Es hat eine Beschwerde für nicht statthaft gehalten, da es nur das Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH verneint habe. Zum vorrangig einzusetzenden Vermögen gehöre dabei auch der Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch eine Verbandsvertretung. PKH sei zu versagen, wenn sich eine Antragstellerin - wie hier - durch einen Angestellten des VdK vertreten lassen könnte.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.08.2008 abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Die Klägerin hat gegen den Beschluss vom 21.08.2008 am 28.08.2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Mitgliedschaft im VdK könne nicht als einzusetzendes Vermögen gewertet werden. Die Klägerin habe ein Wahlrecht, ob sie sich durch einen Verbandsvertreter oder durch einen Anwalt mit PKH vertreten lasse. Sie habe die Mitgliedschaft beim VdK mittlerweile gekündigt. Auf ihre Kündigung hin habe sie vom VdK die Mitteilung erhalten, dass die Mitgliedschaft bereits durch Kündigung seitens des VdK seit 31.03.2007 beendet sei, weil fällige Mitgliedsbeiträge nicht bezahlt worden seien.

Der Senat hat die Beklagte zur Beschwerde gehört.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogene Rentenakte der Beklagten, die Akte des SG Az S 14 R 4214/06, die Berufungsakte L 18 R 738/08 und die Beschwerdeakte im vorliegenden Verfahren Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Ein Anwendungsfall des § 172 Abs 3 Nr 2 SGG ist entgegen der Auffassung des SG nicht gegeben. Danach ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint.

Die bloße Mitgliedschaft in einer Organisation im Sinne des § 73 Abs 2 Satz 2 Nr 5ff SGG stellt noch keine vermögenswerte Position dar, die zu einer Ablehnung der PKH führt (a.A. z.B. LSG Hamburg, Beschluss vom 21.01.2008 L 5 B 256/06 PKH Al, zitiert nach juris). Warum jemand einer der in § 73 Abs 2 Satz 2 Nr 5 ff SGG genannten Organisationen beitritt, mag vielerlei Gründe haben. Eine Verpflichtung als Mitglied einer solchen Organisation sich von dieser in einem Sozialrechtsstreit vertreten zu lassen, ergibt sich aus § 73a Abs 2 SGG nicht. Dort wird lediglich bestimmt, dass PKH nicht b...

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