Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Aufhebung gem § 124 ZPO. Ermessensentscheidung. Rechtsmittel. Ablehnung wegen persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse. Mitgliedschaft in einem Verband. Verschweigen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufhebung von Prozesskostenhilfe nach § 124 ZPO erfordert eine Ermessensausübung.
2. § 173 Abs 3 Nr 2 SGG schließt auch dann eine Beschwerde gegen eine Entscheidung nach § 124 ZPO nicht aus, wenn die Aufhebung der PKH-Bewilligung allein aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgt.
3. Wird Prozesskostenhilfe erstinstanzlich allein mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller sei Mitglied in einem Verband, so handelt es sich um eine Ablehnung wegen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, gegen die eine Beschwerde wegen § 173 Abs 3 Nr 2 SGG ausgeschlossen ist.
4. Die Mitgliedschaft in einem Verband stellt eine vermögenswirksame Position dar, die die Ablehnung von Prozesskostenhilfe zur Folge hat. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger eine Eigenbeteiligung zu erbringen hat.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 28. Mai 2010, Az.: S 13 AS 165/08, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In der Hauptsache wendete sich der Kläger und Beschwerdeführer (Bf) gegen einen Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB X der Beklagten (Bk), mit dem die Bk die Änderung eines bestandskräftigen Rücknahme- und Erstattungsbescheides gegenüber dem Bf abgelehnt hatte. Bzgl. der Hauptsache wurde am 10.3.2010 ein gerichtlicher Vergleich geschlossen
Im Rahmen dieses Verfahrens war seitens des Bf bereits mit Schreiben vom 30.04.2008 Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt worden, aufgrund dessen das SG mit Beschluss vom 5. September 2008 PKH bewilligt und Rechtsanwalt S., A-Stadt, beigeordnet hatte.
Nachdem dem SG im Rahmen eines anderen vor dem SG anhängigen Verfahrens bekannt wurde, dass der Bf VdK-Mitglied ist, gab das SG dem Bf mit Schreiben vom 17.05.2010 Gelegenheit, sich dazu zu äußern, und hob anschließend mit Beschluss vom 28. Mai 2010 unter Ziff. I des Beschlusses den Bewilligungsbeschluss vom 5.9.2010 auf. Gleichzeitig lehnte das SG in diesem Beschluss unter Ziff. II des Beschlusses den Antrag vom 30.04.2008 auf Bewilligung von PKH ab. Es habe sich im Laufe des Verfahrens ergeben, dass der Bf Mitglied beim VdK sei, was eine vermögensrechtliche Position darstelle. Der Bewilligung von PKH hätten insoweit unrichtige Angaben zugrunde gelegen, so dass der Beschluss vom 05.09.2008 aufzuheben und der Antrag auf PKH abzulehnen sei.
Hiergegen hat der Bf Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt. Er habe keine unrichtigen Angaben gemacht, da er im Formblatt nicht nach einer VdK-Mitgliedschaft gefragt worden sei. Außerdem stehe die VdK-Mitgliedschaft einer Gewährung von PKH nicht entgegen, wie sich dies aus einer Entscheidung des BayLSG vom 21.11.2008 (Az.: L 18 B 796/08 R) ergebe. Der VdK sei im konkreten Verfahren nicht bevollmächtigt worden, die Vertretung zu übernehmen. Der Bf müsse frei wählen können, ob er den VdK oder einen Fachanwalt für Sozialrecht bevollmächtigen könne.
Die Bk hat mit Schreiben vom 6.7.2010 dahingehend Stellung genommen, dass nach der Rechtsprechung des BSG die Mitgliedschaft in einem Verband wie dem VdK die Bewilligung von PKH ausschließe, allerdings in der Rechtsprechung umstritten sei, ob nicht PKH in Höhe der Kostensätze des Verbandes für ein Gerichtsverfahren PKH zu erbringen sei.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
§ 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) steht der Beschwerde nicht entgegen.
Ausgehend von der Struktur des § 114 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO), auf die § 73a SGG verweist, verlangt die Bewilligung von PKH der Erfüllung zweier Voraussetzungen, nämlich die Bedürftigkeit des Antragstellers und die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung. In diesem zweigeteiltem System (vgl. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.02.2010, Az.: L 25 B 2170/08 AS PKH) ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG - in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung - die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint. Nach der Gesetzesbegründung zu § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG soll die Ablehnung von PKH nur mit der Beschwerde angefochten werden können, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden (vgl. BT-Drs. 16/7716, S. 22 zu Nr. 29).
Demgemäß ist die Beschwerde wegen § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nur ausgeschlossen, wenn ein erstinstanzliches Gericht PKH ausschließlich wegen den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht gewährt.
Soweit ein erstinstanzliches Gericht darauf abstellt, dass der Antragsteller Mitglied eines Verbandes wie dem VdK ist, ist daher grundsätzlich die Beschwerde nach § 172 Abs. 2 Nr. 2 SGG ausgeschlossen. Denn in dem zweigeteilten System hat sich das erstinstanzliche Gericht beim Abstellen auf die Verbands...