Entscheidungsstichwort (Thema)
Besorgnis der Befangenheit. Dienstliche Äußerung. Frühere Tätigkeit bei der beklagten Behörde
Leitsatz (redaktionell)
Weder eine frühere Tätigkeit des Richters bei der beklagten Behörde noch außergerichtliche Gespräche des Richters mit Vertretern der Behörde begründen die Besorgnis der Befangenheit. Ebenso wenig genügt der Umstand, dass der Richter in einem anderen Verfahren eine Klage des Betroffenen abgwiesen hatte und das Urteil dann von der Berufungsinstanz aufgehoben wurde.
Normenkette
SGG § 60; ZPO §§ 41, 44 Abs. 2
Tenor
Die Ablehnung der Vorsitzenden der 15. Kammer des Sozialgerichts Landshut, Richterin am Sozialgericht R., wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet.
Gründe
I.
Der Kläger führt vor der 15. Kammer des Sozialgerichts Landshut (SG), deren Vorsitzende die Richterin am Sozialgericht (RiSG) R. ist, gegen den Beklagten drei Klageverfahren. In einem früheren Klageverfahren hat die 15. Kammer des SG unter dem Vorsitz von RiSG R. mit Urteil vom 04.10.2005 eine Klage des Klägers gegen den Beklagten abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Bayerische Landessozialgericht das Urteil aufgehoben und dem Klageantrag des Klägers entsprochen.
Zugleich mit Erhebung der neuen Klagen vom 15.08.2008 lehnte der Kläger RiSG R. sinngemäß wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er bezweifle die Neutralität der Richterin und weise auf das Fehlurteil vom 04.10.2005 hin. Ferner sei die Richterin vor ihrer Berufung ins Richteramt im Versorgungsamt tätig gewesen. Auch sei ein außergerichtlicher Informationsfluss zwischen dem Versorgungsamt und dem SG vorhanden gewesen.
RiSG R. hat sich zu dem Ablehnungsgesuch dienstlich geäußert, wozu der Kläger Stellung genommen hat und seine Besorgnis der Befangenheit bestätigt sah.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die dienstliche Äußerung der abgelehnten Richterin und die Stellungnahme des Klägers hierzu Bezug genommen.
II.
Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichte abgelehnt werden, ist das Landessozialgericht zuständig (§ 60 Abs.1 Satz 2 SGG).
Das zulässige Ablehnungsgesuch ist unbegründet.
Nach § 60 SGG in Verbindung mit den §§ 42 ff. ZPO kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Kläger keinen Anlass, die Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung der RiSG R. in Zweifel zu ziehen.
Soweit der Kläger die Besorgnis der Befangenheit aus der Entscheidung der 15. Kammer des SG B-Stadt vom 04.10.2005 ableitet, kann dies sein Ablehnungsgesuch nicht stützen. Die bloße Unzufriedenheit mit einer gerichtlichen Entscheidung, weil diese nicht der eigenen Rechtsauffassung entspricht, rechtfertigt kein Ablehnungsgesuch. Vielmehr ist insoweit das Rechtsmittel der Berufung eröffnet, das der Kläger auch erfolgreich eingelegt hat. Es findet sich im Urteil vom 04.10.2005 keine einzige Formulierung, die darauf hindeutet, dass sich die Kammervorsitzende von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Allein die Tatsache, dass das Berufungsgericht die Entscheidung des SG aufgehoben hat, rechtfertigt bei vernünftiger Betrachtung unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt die Annahme, die Richterin werde dem Kläger in den nun anhängigen Verfahren nicht objektiv oder gar parteiisch gegenüber stehen.
Soweit der Kläger seine Besorgnis der Befangenheit aus der früheren Tätigkeit der Richterin bei der beklagten Behörde ableitet, ist dies nicht nachvollziehbar. Zum einen stellt die frühere Tätigkeit bei der Partei eines Rechtsstreits keinen Ausschließungsgrund im Sinne des § 41 ZPO dar, zum anderen hat der Gesetzgeber dies nicht ausdrücklich als Befangenheitsgrund aufgenommen (siehe § 60 Abs.3 SGG). Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Richter über genügend Souveränität verfügt, sich von einer früheren Tätigkeit als Beamter vollständig zu lösen. Irgendwelche Anhaltspunkte, dass dies im Falle der RiSG R. nicht so sein sollte, sind nicht ersichtlich.
Letztlich geht auch der Vorhalt, es habe ein außergerichtlicher Informationsfluss zwischen dem Versorgungsamt und RiSG R. bestanden, ins Leere. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Vermutung des Klägers, die auch nicht durch die dienstliche Äußerung der abgelehnten Richterin glaubhaft gemacht ist (§ 44 Abs.2 ZPO). Die in der dienstlichen Äußerung bestätigten vereinzelten Gesprächskontakte ohne konkreten Bezug zu den Streitsache...