Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines Beteiligten. Verdienstausfall. selbstständige Tätigkeit von nur geringem zeitlichem Umfang. Bezug von Leistungen nach dem SGB 2. Fahrtkostenersatz. angegebene Fahrtstrecke. Routenplaner. schnellste Strecke. Parkgebühr. Zeitversäumnis
Leitsatz (amtlich)
1. Um den Entschädigungsanspruch für Verdienstausfall bei einem selbständig Tätigen nicht ins Leere laufen zu lassen, darf das Gericht an die Beweisführung eines selbständig tätigen Antragstellers und seine eigene Überzeugungsbildung keine zu hohen Anforderungen stellen.
2. Mit einer nur sporadisch ausgeübten selbständigen Tätigkeit lässt sich eine Entschädigung für Verdienstausfall nicht begründen.
3. Ist die Streckenangabe eines Antragstellers nicht nur geringfügig höher als die sich aus Routenplanern ergebende Entfernung, ist dem Fahrtkostenersatz grundsätzlich die dem Routenplaner entnehmbare Streckenlänge zur schnellsten Route zugrunde zu legen, wenn nicht die kürzeste Strecke mit einem nur geringen zeitlichen Mehraufwand verbunden ist.
Orientierungssatz
1. Zur Erstattungsfähigkeit einer angegebenen Parkgebühr, wenn der Antragsteller die Kosten nicht (wie üblich) durch die Vorlage des Parkbelegs nachgewiesen hat, aber im Bereich des Gerichts keine gebührenfreien Parkplätze zur Verfügung stehen (vgl LSG München vom 15.4.2015 - L 15 SF 118/14 = ASR 2014, 168).
2. Zur Frage, wann die im Rahmen der Entschädigung für Zeitversäumnis bestehende gesetzliche Vermutung dahingehend, dass ein Nachteil entstanden ist, als widerlegt zu betrachten ist (vgl LSG München vom 30.7.2012 - L 15 SF 439/11).
Tenor
Die Entschädigung der Antragstellerin wegen des Gerichtstermins am 22.04.2015 wird auf 43,75 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin.
In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen geführten Berufungsverfahren fand am 22.04.2015 ein Beweisaufnahmetermin statt, zu dem das persönliche Erscheinen der Antragstellerin angeordnet worden war.
Die Antragstellerin nahm am vorgenannten und auf 13.00 Uhr geladenen Gerichtstermin teil, der von 14.12 Uhr bis 15.31 Uhr dauerte.
Mit Entschädigungsantrag vom 22.04.2015, ergänzt durch ihr Schreiben vom 27.04.2015, beantragte die Antragstellerin die Entschädigung für den Gerichtstermin. Sie gab an, einen Verdienstausfall als selbständige Inhaberin eines Nachhilfeinstituts erlitten zu haben. Der Verdienstausfall betrage pro Stunde 32,- € netto. Als "Bestätigung" für ihre Selbständigkeit legte sie die erste Seite einer Kopie des Einkommensteuerbescheids für 2013 vor, auf der sämtliche Angaben zu Beträgen von Einkünften und Steuer abgedeckt waren. Sie gab an, um 10.30 Uhr mit dem PKW von zuhause weggefahren und um 17.30 Uhr wieder zurückgekommen zu sein. Sie habe 5,- € Parkgebühren gezahlt. Neben dem Ersatz von Fahrtkosten begehrte sie auch die Erstattung von Zehrkosten.
Mit Schreiben der Kostenbeamtin vom 22.05.2015 wurde der Antragstellerin eine Entschädigung in Höhe von 49,- € gewährt (Entschädigung für Zeitversäumnis von 10.30 Uhr bis 17.30 Uhr in Höhe von 24,50 €, Fahrtkosten für 78 km in Höhe von 19,50 € und eine Parkgebühr in Höhe von 5,- €). Ergänzend wies die Kostenbeamtin darauf hin, dass durch die vorgelegten Unterlagen eine selbständige Tätigkeit (Inhaberin eines Nachhilfeinstituts) nicht glaubhaft gemacht worden sei. Eine Entschädigung für Verdienstausfall könne daher nicht gewährt werden.
Mit Schreiben vom 28.05.2015 hat die Antragstellerin die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung ihres Verdienstausfalls beantragt. Mit einem Stundensatz von 3,50 € sei sie keinesfalls einverstanden. Durch die Vorlage ihres Einkommenssteuerbescheids habe sie ihre selbständige Tätigkeit nachgewiesen. Die Beträge habe sie geschwärzt, weil das Gericht die Höhe des zu versteuernden Einkommens nicht wissen müsse. Als Inhaberin eines Nachhilfeinstituts habe sie einen Stundensatz von 32,- € netto. Auch mit einem Stundensatz von 17,- € sei sie nicht einverstanden. Es sei unzumutbar, dass sie sich wegen einer solchen Sache wieder hinsetzen und an das Gericht schreiben müsse.
Mit Schreiben des Kostensenats vom 10.08.2015 sind der Antragstellerin die Voraussetzungen für eine Entschädigung für Verdienstausfall auf drei Seiten äußerst ausführlich erläutert worden. In diesem Zusammenhang ist darauf hingewiesen worden, dass sich aus den Unterlagen des Hauptsacheverfahrens ergebe, dass die Antragstellerin ein sehr geringes Einkommen und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezogen habe. Sofern sie einen Verdienstausfall anstrebe, müsse sie entsprechende Nachweise vorlegen. Zudem ist der Antragstellerin erläutert worden, dass im Rahmen der gerichtlichen Festsetzung der Entschädigung aller Voraussicht nach zu berücksichtigen sein werde, dass die gerichtsterminsbedingte Abwesenheit von insgesamt 7 Stunden als sehr g...