Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Entschädigung für Verdienstausfall bei Bezug von Leistungen nach dem SGB XII
Leitsatz (amtlich)
1. Der Bezug von Leistungen nach dem SGB XII steht einer Entschädigung für Verdienstausfall regelmäßig entgegen.
2. Die bloße, aufgrund eines Berufsabschlusses erlangte Möglichkeit zur Einkommenserzielung begründet weder einen tatsächlichen erlittenen Verdienstausfall noch ist eine derartige Möglichkeit entschädigungsrechtlich nach dem JVEG relevant.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung des Termins vor dem Bayer. Landessozialgericht am 21.07.2016 wird auf 38,75 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin.
In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter den Aktenzeichen L 7 AS 633/14 geführten Berufungsverfahren des dortigen Klägers und jetzigen Antragstellers (im Folgenden: Antragsteller) fand am 21.07.2016 eine mündliche Verhandlung statt. Der auf 13.00 Uhr angesetzte Gerichtstermin, zu dem der Antragsteller um 13.13 Uhr erschien, dauerte bis 13.20 Uhr. Das persönliche Erscheinen wurde im Gerichtstermin nachträglich angeordnet
Mit Entschädigungsantrag vom 10.10.2016 beantragte der Antragsteller, der ab dem Jahr 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhalten hatte und im Anschluss daran seit Dezember 2009 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bezieht, die Entschädigung wegen seines Erscheinens beim Gerichtstermin vom 21.07.2016. Er gab an, zu Hause um 11.15 Uhr weggefahren und um 15.30 Uhr wieder zurück gewesen zu sein. Er begehrte eine Entschädigung für Zeitversäumnis und machte als Fahrtkosten ein Bayern-Ticket für 23,- € geltend.
Die Kostenbeamtin des Bayer. LSG gewährte eine Entschädigung in Form einer Barauszahlung in Höhe von insgesamt 38,75 € (15,75 € für Zeitversäumnis für die vom Antragsteller angegebene Abwesenheitszeit, 23,- € für Fahrtkosten).
Dagegen hat sich der Antragsteller mit Eingang am 19.10.2016 beim LSG gewandt und den Stundensatz von 3,50 € gerügt. Tatsächlich sei er "Dipl.-Betriebswirt und Wirtschaftsjurist". Diesbezüglich gebe es "Tarife". Auch sei eine "selbständige Tätigkeit im Bereich Investment-Erarbeitung eines renditestarken Fonds gegeben."
Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens beigezogen.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit einem am 19.10.2016 beim LSG eingegangenen Schreiben sinngemäß die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung dadurch beantragt, dass er sich gegen die Höhe der von der Kostenbeamtin festgesetzten Entschädigung wendet.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 21.07.2016 ist auf 38,75 € festzusetzen.
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich wie hier um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinn des § 183 SGG handelt und ihr persönliches Erscheinen zu einem vom Gericht angesetzten Termin angeordnet oder nachträglich vom Gericht der Hauptsache für geboten erachtet worden ist. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (h.M., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).
2. Entschädigung für Verdienstausfall
Dem Antragsteller steht keine Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 22 JVEG zu.
Ein Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall scheitert nicht schon an der Ausschlussfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG. Der Antragsteller hat eine Entschädigung für Verdienstausfall erstmals zusammen mit seinem Antrag gemäß § 4 Abs. 1 JVEG und damit kurz vor Ablauf der Ausschlussfrist, die am 21.07.2016 zu laufen bego...